
Wie neue Vergütungsmodelle das Gesundheitssystem verändern
Die ambulanten ärztlichen Leistungen werden im Schweizer Gesundheitssystem derzeit über die sogenannte Einzelleistungstarifstruktur TARMED vergütet. Darin ist festgelegt, wie viel die Krankenversicherungen für jede einzelne Leistung bezahlen. Damit ist das System auf Menge ausgerichtet: Je mehr Behandlungen und Abklärungen durchgeführt werden, desto mehr Einnahmen generiert eine Arztpraxis.
Dieser Mengenanreiz birgt jedoch Risiken. Er kann dazu führen, dass Patientinnen und Patienten Behandlungen erhalten, die weder notwendig noch sinnvoll sind. Die Folge: eine tiefere Versorgungsqualität und steigende Gesundheitskosten.
Per 1. Januar 2026 wird TARMED durch die angepasste Tarifstruktur TARDOC ersetzt. Zusätzlich werden für bestimmte ärztliche Leistungen Pauschalen eingeführt. Damit wird der problematische Mengenanreiz teilweise ausbalanciert.
Pro-Kopf-Finanzierung: Ein Modell mit Potenzial
Im Rahmen von alternativen Versicherungsmodellen, zum Beispiel dem bekannten Hausarztmodell, können Ärzteschaft und Krankenversicherungen sogar noch einen Schritt weiter gehen: Zum Beispiel indem sie Vergütungssysteme aufbauen, die den Mengenanreiz minimieren und die sektorenübergreifende und interprofessionelle Koordination höher gewichtet wird.
SWICA arbeitet derzeit gemeinsam mit Réseau Delta, dem grössten Managed-Care-Netz von Hausärztinnen und -ärzten in der Westschweiz, an einem solchen Pauschalfinanzierungsystem. Bei der sogenannten Capitation-Finanzierung erhält die Arztpraxis eine fixe Kopfpauschale pro Person im SWICA-Hausarztmodell. Diese Pauschale deckt die gesamte medizinische Versorgung über einen bestimmten Zeitraum ab. Dieses Modell schafft neue Anreize: Statt auf die Menge der Behandlungen zu setzen, rückt das Ergebnis der Versorgung in den Vordergrund.
Finanzielle Risiken so gut wie möglich abgesichert

Mehr Eigenverantwortung und Effizienz
Ein entscheidender Vorteil der Capitation-Finanzierung liegt in der eigenständigen Budgetverantwortung der Arztpraxen. Da die Praxis mit einer fixen Pauschale auskommen muss, entsteht ein starkes Interesse daran, die vorhandenen Ressourcen effizient einzusetzen.
Besonders wichtig wird dabei die integrierte und koordinierte Versorgung entlang des gesamten Behandlungspfads. Diese Aufgabe, die im bisherigen Tarifsystem oft nicht ausreichend honoriert wird, zahlt sich im neuen Modell nicht nur finanziell aus, sondern führt nachweislich zu einer höheren Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten.
«Dieses Modell ermöglicht es den Hausärztinnen und Hausärzten, ihre Lotsenfunktion auf dem Behandlungspfad vollumfänglich wahrzunehmen, denn sie haben mehr Zeit, um die Patientinnen und Patienten zu begleiten, Komplikationen vorzubeugen und die Behandlungen zu optimieren», erklärt Dr. Philippe Schaller, Leiter des Réseau Delta. «Indem die finanziellen Anreize auf die Qualität und nicht auf die Menge an Leistungen ausgerichtet werden, fördert das Capitation-Modell ein effizienteres System, das den Fokus auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten legt.»
Prävention statt Reaktion: Gesundheitskompetenz stärken
Ein weiterer Vorteil der Capitation-Finanzierung ist die stärkere Gewichtung präventiver Gesundheitsmassnahmen. Während im bisherigen System oft erst bei gesundheitlichen Problemen behandelt wird, schafft das neue Modell Anreize, Krankheiten frühzeitig vorzubeugen.
Auch die knappen personellen Ressourcen im Gesundheitswesen können durch eine effizientere Planung und Koordination besser genutzt werden. Davon profitieren nicht nur das Fachpersonal, sondern auch die Patientinnen und Patienten, die eine individuellere und qualitativ hochwertigere Betreuung erhalten.