Café Med: Neue Perspektiven bei medizinischen Fragen

Manchmal braucht es eine unabhängige Einordnung, gerade wenn es um komplexe medizinische Fragestellungen und Behandlungsoptionen geht. Wer wäre besser dafür geeignet als pensionierte Ärztinnen, Psychologen, Sozialarbeiterinnen und weitere Fachpersonen? Individuelle Entscheidungshilfen, das bietet das «amm Café Med» – und das unentgeltlich. Dr. Med. Basil Caduff, Leiter des Angebots, gibt einen Einblick.

Immer schneller, immer öfter und immer personalisierter werden wir im Internet mit medizinischen Ratschlägen und Meinungen – ob fundiert oder nicht – konfrontiert. Suchmaschinen und künstliche Intelligenz finden schnell die passende Krankheit zu jedem Symptom. Instagram, TikTok und Co. berieseln uns permanent mit Gesundheitstipps, bringen uns Gebrechen und ihre Behandlung näher. Das sorgt zwar für Gesundheitsaufklärung, viele Inhalte sind allerdings fehlerhaft oder irreführend – besonders, wenn sie nicht von medizinischem Fachpersonal stammen. Online-Hilfen sind nur so gut wie der Mensch, der sie benutzt.

Viele Informationen, viele Meinungen, viele Optionen. Manchmal hilft eine unabhängige Einordnung. Diese bietet das «amm Café Med», ein unentgeltliches Angebot der Akademie Menschenmedizin. Der Verein setzt sich für ein menschengerechtes und auch zukünftig bezahlbares Gesundheitswesen ein. Über 200 meist pensionierte Ärztinnen, Psychologen und andere Fachpersonen engagieren sich für das Projekt und bieten Patienten und Angehörigen kostenlose medizinische Beratung in lockerer Atmosphäre.

Entscheidungshilfen für Ratsuchende

Das Prinzip ist einfach: «Wer Rat sucht in medizinischen Fragen, kann im Café Med vorbeikommen und sich niederschwellig Entscheidungshilfen einholen. Eine Anmeldung ist nicht nötig», erklärt Dr. med. Basil Caduff, Facharzt für Innere Medizin und seit Anfang 2024 Mitglied des Ärzteteams des amm Café Med Zürich. Er ist im Vorstand der Akademie Menschenmedizin und leitet mittlerweile das Café-Med-Projekt. Die Anlässe werden in mehreren Schweizer Städten angeboten, darunter Winterthur, Basel, Bern, St. Gallen oder Lugano.

Bild: Akademie Menschenmedizin

«Eine Fachperson hört sich das Problem an und macht die Triage. Dann wählt sie die am besten geeignete Ärztin oder Arzt aus. Die Ratsuchenden erhalten eine Nummer, setzen sich an einen Tisch und werden dort beraten, sobald der zugewiesene Spezialist frei ist», führt Caduff weiter aus. Zum Teil seien das sehr lange Gespräche. In einer normalen Sprechstunde habe man selten die Möglichkeit, wirklich so lange zu reden, bis alles geklärt sei. Café Med gibt es seit 2017, die erste Durchführung fand in Zürich statt, wo auch Caduff berät.

«Wenn jemand eine medizinische Frage stellt, geben wir nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft und beleuchten das Problem von allen Seiten», sagt der Facharzt. Es handle sich dabei um keine medizinische Zweitmeinung, und die Entscheidung für das weitere Vorgehen liege beim Patienten selbst. «Grundsätzlich kommen die Ratsuchenden nur einmal vorbei, schliesslich bieten wir keine Behandlung an. Oft möchten sie nochmals einfach und verständlich erklärt haben, was gewisse Diagnosen und Behandlungsmöglichkeiten bedeuten.»

Schwierige Themen in gemütlicher Atmosphäre

Und wie geht Café Med mit hochsensiblen und schützenswerten Informationen der Patienten um? «Bevor ich selbst Teil des Ärzteteams geworden bin, dachte ich: Ich kann doch nicht in einem Café über so persönliche und private Angelegenheiten sprechen. Aber das ist kein Problem. Es wird ganz ruhig geredet, in den Restaurants herrscht ein allgemeiner Klangteppich. Kaum zu glauben, aber es ist wirklich eine ganz persönliche Situation», erklärt Caduff.

Die Problemstellungen und Krankheitsbilder der Ratsuchenden sind dabei sehr unterschiedlich. «Oft sind es simple Fragestellungen, manchmal können sie aber auch hochkomplex werden. Gleich bei meinem ersten Besuch gab es eine so seltene Krankheit, dass ich sie selbst noch nie gesehen habe», sagt Caduff. «Ich musste also erst ins Café Med gehen, um das zu sehen, obwohl ich x-tausend Menschen behandelt habe.»

Gemäss Caduff gäbe es zwei Arten von Leiden, die besonders oft vorkommen. Einerseits sind das Fragen zum Bewegungsapparat: Braucht es eine Operation, ja oder nein? Ist ein Gelenkersatz notwendig, und was sind die Vor- und Nachteile? Andererseits sind es kardiologische Fragestellungen. Das Herz.

Es hat noch Platz

Herzblut benötigen auch die vielen Ärztinnen, Psychologen, Sozialarbeiterinnen und weiteren Fachexperten für ihre unentgeltliche Arbeit. Um mitzumachen, sind die Fachleute verpflichtet, sich weiterzubilden und sie müssen unabhängig sein. Freiwillige gibt es viele, die Akademie Menschenmedizin hat ein breites Netzwerk.

Anders sieht es bei den Patientinnen und Patienten aus. «Ratsuchende zu finden, ist schwieriger. Zwar stösst unser Angebot auf grosses Interesse, wenn wir davon erzählen, aber das ist leider nicht so nachhaltig», so Caduff. «Dabei können wir doch einen grossen Beitrag zum Patientenwohl leisten und Ratsuchenden helfen, ihre persönliche Entscheidung zu treffen.»

Über Basil Caduff

Dr. med. Basil Caduff ist Facharzt für Innere Medizin und war von 1996 bis zu seiner Pensionierung 2019 Chefarzt der medizinischen Klinik am Spital Limmattal. Er war viele Jahre Vorstandsmitglied der Zürcher Chefärztevereinigung und in dieser Funktion Mitglied der Kommission Lehre der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Seit Anfang 2024 ist er Mitglied des Ärzteteams des amm Café Med Zürich.

Über das amm Café Med

Das amm Café Med ist ein unentgeltliches Angebot der Akademie Menschenmedizin für Patientinnen und Patienten, Angehörige und Fachleute des Gesundheitswesens. Ärzte, Psychologinnen, Sozialarbeiter und andere Fachpersonen beantworten Fragen, besprechen Behandlungsoptionen und bieten individuelle Entscheidungshilfe. Das Angebot ist unabhängig und für jedes Alter offen. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Mehr erfahren.