Erfahrungsbericht
Die Notfallstation zuhause
Seit einem halben Jahr testet santé24 das neue Versorgungsmodell Home Tele Care zusammen mit Spitex Zürich. In der Stadt Zürich wohnhafte Patientinnen und Patienten können dadurch bei akuten medizinischen Problemen in den eigenen vier Wänden versorgt werden – mit Erfolg, wie der Fall von Sebastian Schmid zeigt.
Plötzlich rast der Puls, steigt und fällt immer wieder. So geht es dem 52-jährigen Sebastian Schmid eines Sonntags im Juni. Er weiss, etwas stimmt nicht, seine Frau ist besorgt und drängt ihn, sich an santé24 zu wenden. Die Telemedizinerin am anderen Ende schätzt die Lage als ernst, aber nicht alarmierend ein. Sie macht Herrn Schmid auf Home Tele Care aufmerksam und fragt ihn, ob es für ihn in Ordnung wäre, wenn jemand der Spitex Zürich bei ihm zuhause vorbeikommen würde. Er willigt ein.
Sofa statt Untersuchungsliege
Kurz nach dem Anruf steht Christine Reichart vor seiner Tür. Gebrieft durch santé24 und ausgerüstet mit EKG- und Laborgeräten legt die Pflegefachfrau los mit ihrer «One-Woman-Show», wie Schmid den Spitex-Hausbesuch gegenüber dem «Tages-Anzeiger» beschreibt. Während er auf dem Sofa liegt, werden seine Vitalfunktionen getestet, um das Schlimmste ausschliessen zu können, dann folgt der Blutwert und das EKG. Mithilfe des Telemedizingeräts TytoHome werden anschliessend die Herztöne geprüft und aufgezeichnet. Die Aufnahme, die via App an santé24 übermittelt wird, bespricht die Advanced Practice Nurse (APN) nun mit der Telemedizinerin – Diagnose: akute Arrhythmie. Nach Rücksprache mit Schmids Herzspezialist ordnet die Telemedizinerin an, die Dosis eines bisherigen Medikaments zu erhöhen. Die Pflegefachfrau kann ihren Hausbesuch erfolgreich beenden.
Seit dem Projektstart im März 2022 sind Reichart und ihre acht Kolleginnen rund ein Dutzend Mal auf Anweisung von santé24 ausgerückt. «Ich hoffe, dass diese Einsätze zunehmen, damit wir Routine gewinnen», sagt sie dem «Tages-Anzeiger».
Notfallstationen entlasten
Zur Zusammenarbeit zwischen santé24 und der Spitex Zürich ist es unter anderem gekommen, weil es immer wieder Situationen gebe, in «denen wir mit ein bisschen mehr als unseren telemedizinischen Mitteln ein Problem lösen könnten, ohne die Leute in den Notfall zu schicken», erklärt Silke Schmitt Oggier, Chefärztin santé24. Mit dem mobilen Spitex-Fachpersonal wurde dieses fehlende Puzzleteil gefunden. So besuchen die Pflegeexpertinnen im Auftrag von santé24 die Patientinnen und Patienten in ihrem Zuhause und können direkt vor Ort diagnostische, pflegerische und bei Bedarf therapeutische Leistungen erbringen. Ziel dieses Tests ist, ernsthafte Gesundheitsprobleme zuhause zu managen und die überlasteten Notfallstationen zu entlasten.
Die Pilotphase läuft voraussichtlich ein Jahr und beschränkt sich auf die Stadt Zürich. Sollte sich diese Art der Versorgung bewähren, wird eine Ausweitung auf andere Regionen geprüft.
04.08.2022