BENEVITA-Spendenprojekte
«Wir brauchen resiliente Wälder»

Der Klimawandel macht unseren Wäldern zu schaffen – mit direkten Auswirkungen auf den Menschen. Ein gesunder Baumbestand ist elementar, wird jedoch immer mehr zur Herausforderung. WWF-Projektleiterin Cilgia Schatzmann erklärt, welche Lösungsansätze angegangen werden müssen, was es mit dem «Tannätag» auf sich hat und warum gerade die Weisstanne als Baum der Zukunft gilt.

Warum sind Bäume und Wälder wichtig für den Menschen?

Es gibt mehrere Gründe. Bäume produzieren wie alle Pflanzen auf der Erde Sauerstoff, den wir zum Atmen respektive für unseren Stoffwechsel benötigen. Ausserdem entziehen sie der Atmosphäre CO2 und während ihres Wachstums binden sie Kohlenstoffe im Holz sowie im Waldboden – beides bremst den Klimawandel. Auch sonst sorgen sie für reine Luft und gelten als grüne Lungen unserer Städte, weil sie Staub und Partikel aus der Atmosphäre filtern. An heissen Tagen spenden sie Schatten und nicht zuletzt liefern uns Bäume mit ihrem Holz einen vielseitigen, nachwachsenden Rohstoff.

Darüber hinaus haben Wälder eine wichtige Schutzfunktion vor Naturgefahren wie Erdrutsche, Lawinen, Steinschläge oder Stürme. Und zu guter Letzt dienen sie uns auch als Naherholungsgebiete. Wir fühlen uns wohl im Wald, er tut uns gut.

Was geschieht mit unseren Wäldern im Zuge des Klimawandels?

Wärmeres Klima respektive der Klimawandel als Ganzes schwächt viele Baumarten, die sich über die Jahrhunderte an ein kühleres Umfeld gewohnt haben. Das führt zu unangepassten Baumbeständen, wodurch sich die Widerstandskraft des gesamten Waldes reduziert. Der Wald wird anfälliger auf Schadensereignisse wie Stürme oder Borkenkäferbefall. Zudem steigt die Waldbrandgefahr. Wir brauchen klimaangepasste Baumbestände. Wir brauchen resiliente Wälder.

Welche Baumarten leiden besonders?

Vor allem Flachwurzler haben es in Trockenzeiten und Dürresommern schwer, genügend Wasser zu erhalten. Ein Beispiel dafür ist die Fichte. Sie hat unterhalb von 600 Metern über Meer keine Zukunft.

Im Gegensatz zur Fichte wird der Weisstanne eine aussichtsreichere Zukunft vorhergesagt. Warum?

Die Weisstanne ist ein sogenannter Pfahlwurzler. Das heisst, ihre Wurzeln ragen tief in den Boden. Dadurch erhält sie auch während trockeneren Zeiten genügend Wasser. Gleichzeitig ist sie sturmfester als die erwähnte Fichte – eben, weil sie tiefer verankert ist. Ausserdem zeigt sie eine gute genetische Durchmischung.

Was versteht man darunter?

Die Eiszeit verdrängte die Weisstanne aus dem Alpenraum in verschiedene Gebiete, wo sie sich genetisch regional unterschiedlich entwickelte. Die Rückkehr der Baumart in die Schweiz nach der letzten Eiszeit passierte wiederum aus verschiedenen Himmelsrichtungen. Dadurch entstand ein Mix aus verschiedenen genetischen Eigenschaften. Und diese ist bei unseren Weisstannen sehr solide.

Welcher Aufwand muss betrieben werden, damit eine Weisstanne in der freien Natur gedeihen kann?

Gepflanzte junge Weisstannen müssen mit einem Zaun vor sogenanntem Wildverbiss geschützt werden. Unter Wildverbiss versteht man das Wegfressen von Knospen und jungen Trieben durch wilde Tiere. Geschieht das, kann der Baum nicht wachsen und gedeihen, im schlimmsten Fall stirbt er sogar ab.

Weisstannen fördern mit BENEVITA

Mit den Community-Coins von BENEVITA unterstützen Sie den WWF beim Pflanzen und Pflegen neuer Weisstannen-Bestände in der Schweiz. Der Baum gilt als Zukunftsbaum und Rückgrat vieler Wald-Ökosysteme. Dennoch ist die Weisstanne nicht vor Schäden durch Insekten, Wildtiere und Naturereignisse gefeit. Diesem Umstand nimmt sich das aktuelle BENEVITA-Spendenprojekt an. Unterstützen Sie jetzt das Projekt.

Inwiefern spielt die Wildjagd eine Rolle?

Mit der Jagd auf Reh, Hirsch und Gams wird versucht, die Wildbestände auf die Lebensraumkapazität anzupassen. Sprich unsere zu hohen Wildbestände zu reduzieren. Für den Schutz des Waldes braucht es also auch ein sinnvolles Wildtiermanagement.

Sie erwähnten den Borkenkäferbefall. Diese werden als Schädlinge bezeichnet, aus Sicht der Natur könnte man sie jedoch auch als Regulatoren betrachten. Wie muss man diese Diskrepanz einordnen?

Die Natur kennt tatsächlich keine Schädlinge. Borkenkäfer und alle Tierarten sind als Netzwerk zu betrachten. Alles hat eine Funktion. Die Einteilung in Nützlinge und Schädlinge kommt von einer ökonomisch geprägten Perspektive. Als Schädlinge gelten Organismen, die den wirtschaftlichen Erfolg des Menschen schmälern. So gilt der Borkenkäfer aus forstwirtschaftlicher Sicht als einer der gefährlichsten Schädlinge, da er immense Schäden verursachen kann, was mit hohen finanziellen Verlusten einhergehen kann.

Und aus ökologischer Sicht?

Aus ökologischer Sicht erfüllt er wichtige Funktionen im Wald. Er bringt geschwächte Bäume zum Absterben und schafft so Platz für Baumarten, die besser an den jeweiligen Standort passen. So gesehen kann er als ökologisch wertvolle Störung wirken – insbesondere in unnatürlichen Systemen wie in einer Fichten-Monokultur.

«Wir fühlen uns wohl im Wald, er tut uns gut.» Cilgia Schatzmann, WWF-Projektleiterin 
Gibt es neben der Weisstanne weitere Bäume, die Potenzial als Zukunftsbaum haben?

Es gibt einige. Die Douglasie übersteht Sommerhitze und -dürre deutlich besser als die Fichte. Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist sie interessant, da sie schnell wächst und gute holztechnologische Eigenschaften hat. Jedoch ist sie keine bei uns heimische Baumart. Auch die Birke als Pionierbaumart – sprich, sie siedelt sich schnell auf freien, offenen Flächen an – oder die Traubeneiche und die Stieleiche, die als trockentolerant gelten und tiefwurzelnde Baumarten sind, könnten bei uns eine Zukunft haben. Auch die Buche mit ihrer hohen Konkurrenzkraft hat Potenzial.

Der WWF engagiert sich mit dem «Tannätag» beim Baumschutz. Was wird an diesem Tag gemacht?

Mit Freiwilligen unterstützen wir den Forst und können gleichzeitig die Bevölkerung hinsichtlich klimaresistenter, biodiverser und gesunder Wälder informieren und sensibilisieren. Der Tag findet jeweils im Oktober statt. Interessierte dürfen sich gerne bereits jetzt anmelden. Infos gibt es auf unserer Website.

Nebst dem «Tannätag»: Was muss unternommen werden, um unsere Wälder zu schützen?

Die meisten Waldschützenden und Forstwissenschaftler und Forstwissenschaftlerinnen sind sich einig, dass in erster Linie drei Massnahmen nötig sind, um unsere Wälder zu retten: Mehr Schutzgebiete ausweisen, Anpflanzung beziehungsweise Aufforsten von Bäumen sowie eine nachhaltige und ökologische Forstwirtschaft. Ein weiterer Schlüssel sind angepasste Wildbestände. Dann würde es auch mit der vielfältigen, natürlichen Waldverjüngung klappen.

Und was bedeutet das für mich als Person?

Es gibt einige einfache Regeln, an die wir uns halten müssen. Überraschend ist sicherlich, dass für den Waldschutz weniger Fleisch konsumiert werden sollte. Rund 80 Prozent der weltweit gerodeten Waldflächen werden für den Anbau von Soja, Palmöl und Kakao genutzt. Davon wiederum allein 70 Prozent für Futtermittel für die Fleischindustrie. Ein weiteres Problem ist der Müll. Daher sollte man keine (Garten-)Abfälle deponieren, dafür jedoch fremden Müll mitnehmen – das gilt auch für Zigarettenstummel – und illegale Entsorgungen melden. Beim Kauf von Holzprodukten und Papier sollte auf die Herkunft geachtet werden. Und was wir alle machen können: Uns aktives in der Gesellschaft und Politik für Schutzgebiete engagieren sowie die Begeisterung künftiger Generationen wecken. Wer mit Kindern, Nichten, Neffen und Enkelkindern im Wald Zeit verbringt, tut bereits sehr viel.

 

Zur Person

Cilgia Schatzmann wuchs inmitten der Biodiversität Graubündens auf Pirigen im Schanfigg auf. Sie hat Umweltingenieurwesen an der ZHAW in Wädenswil studiert, seit vier Jahren ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin auf der Geschäftsstelle beim WWF Glarus und Graubünden tätig und dort für die Bereiche Biodiversität, Lebensraum- und Artenschutz, Raumplanung, Grossraubtiere und für die Projektkoordination von Freiwilligeneinsätzen wie zum Beispiel dem Tannätag zuständig.

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