Medikamentenmangel in der Schweiz
Medikamentenengpass: Schnelle Lösung nicht in Sicht

Hunderte Medikamente und Wirkstoffe fehlen in der Schweiz. Die Krankenversicherungen stehen zwischen Stuhl und Bank, wenn es um die Vergütung von Alternativen geht. SWICA setzt sich für pragmatische Lösungen ein, um Betroffene bestmöglich zu unterstützen.

«Ernsthafter Mangel», «Keine Besserung in Sicht», «Jetzt wird’s knapp» – so oder ähnlich tönt es seit Monaten in den Medien. Der Schweiz gehen die Medikamente aus. Die Antwort auf die Frage nach dem Warum ist komplex. Versucht man eine vereinfachte Darstellung, lassen sich ein paar Kernprobleme identifizieren: Zum einen fokussieren Schweizer Pharmaunternehmen ihre Energie auf neue, hochkomplexe Medikamente, bei denen die Margen hoch sind. Für sie lohnt es sich oft nicht, Wirkstoffe für günstige Medikamente mit abgelaufenem Patentschutz oder für Generika herzustellen. Dazu gehören aber zum Beispiel viele gängige Antibiotika, Schmerzmittel und Antidepressiva, die in der Schweiz aktuell fehlen. Die Produktion von Medikamenten und Wirkstoffen für die breite Masse wird nach Asien oder Südamerika ausgelagert. Gibt es Probleme in den Lieferketten, stoppt die Produktion oder steigt die Nachfrage auf dem Weltmarkt, führt das hierzulande zu Engpässen.
Zum anderen fehlt in der Schweiz ein Überblick über die Mangellage, denn es gibt keine umfassende nationale Liste mit den fehlenden Medikamenten. Darüber hinaus sind die Verantwortlichkeiten nicht geklärt, und es fehlt eine zentrale Koordination. Die Hauptverantwortung für die Beschaffung der Arzneimittel liegt bei den Kantonen, nur bei lebenswichtigen Medikamenten liegt die Kompetenz für die Lagerung und Überwachung beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist wiederum für die Preisfestsetzung zuständig. Ebenfalls erschwerend kommt hinzu, dass es für ausländische Firmen oft nicht rentabel ist, für den relativ kleinen Schweizer Markt eine eigene Zulassung für einzelne Medikamente zu beantragen.

Schlimmeres verhindern

All diese Probleme sind keineswegs neu. «Der Medikamentenmangel in der Schweiz zeichnet sich seit Jahren ab, und die Situation verschlimmert sich in einem exponentiellen Ausmass», sagt Daniel Lo Verdi, Leiter Fachführung Medizin bei SWICA. «Wir sehen uns einer prekären Lage gegenüber. Es gilt nun, Schlimmeres zu verhindern». Der Experte stellt klar, dass dafür alle Akteure an einem Strang ziehen müssten.

Das ist auch die Strategie des Bundes. Um die Versorgung langfristig zu stärken, erschien 2022 der «BAG-Bericht Arzneimittelversorgungsengpässe». Aktuell arbeitet der Bund zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Industrie, Forschung, Ärzteschaft, Apotheken, Verbänden und Kantonen an Umsetzungsvorschlägen. Mit konkreten Ideen wird noch dieses Jahr gerechnet. Gleichzeitig hat eine breite Allianz unter anderem aus Apotheken, Ärzteschaft, Drogisten und Pharma im April 2023 eine Volksinitiative lanciert. Diese will die Medikamentenversorgung verbessern, indem der Bund die entsprechenden Kompetenzen erhält. Ausserdem sollen Gelder fliessen, um den Standort Schweiz für Forschung, Entwicklung, Produktion und Lagerhaltung für Medikamente zu stärken. Damit sind zwar einige politische Massnahmen angestossen, mit einer schnellen Verbesserung der Lage ist aber nicht zu rechnen. Bei fehlenden Medikamenten müssen Patientinnen und Patienten bis auf Weiteres auf Alternativen zurückgreifen.
«Der Medikamentenmangel in der Schweiz zeichnet sich seit Jahren ab, und die Situation verschlimmert sich in einem exponentiellen Ausmass» Daniel Lo Verdi, Leiter Fachführung Medizin bei SWICA

Pragmatische Lösungen finden

Wenn es um entsprechende (Not-)Lösungen geht, stehen die Krankenversicherungen oft zwischen Stuhl und Bank. «Unsere Versicherten benötigen eine adäquate Therapie, gleichzeitig müssen wir uns bei der Vergütung am Gesetz orientieren. Nicht immer ist der Sachverhalt bezüglich möglicher alternativer Medikamente einfach oder klar», erklärt Lo Verdi. Er und sein Team bei SWICA setzen sich darum unermüdlich mit akuten und drohenden Mängeln und möglichen Alternativen auseinander, damit diese im Rahmen der regulatorischen Vorgaben vergütet werden können. «Uns ist in dieser angespannten Situation sehr wichtig, kooperativ und unkompliziert zu handeln, um die Lage für die Versicherten nicht noch schlimmer zu machen.»

Gleichzeitig weist Lo Verdi darauf hin, dass diese Aufgabe mit grossem Aufwand für die Krankenversicherung verbunden ist. Ein Umstand, der sich durch die gesamte Branche zieht: Auch für das medizinische Fachpersonal, die Ärzte- und besonders auch die Apothekerschaft bedeutet der Aufwand für die Suche, den Import oder die selbstständige Herstellung von alternativen Medikamenten einen massiven Mehraufwand und hohe Kosten. Die gesamte Situation kommt damit auch das Gesundheitswesen teuer zu stehen.

santé24 unterstützt bei Fragen zu Medikamenten

santé24, der Telemedizinanbieter von SWICA, unterstützt Versicherte bei Fragen rund um Medikamente und Medikamentenengpässe. Auch Apotheker Daniel Kreyenbühl, der die Medikamentensprechstunde bei santé24 leitet, stellt eine Verschärfung der Situation fest: «In letzter Zeit haben wir vermehrt Anfragen von Versicherten zu Verfügbarkeitsschwierigkeiten von Medikamenten. Da können wir in der Regel gute Dienste leisten und mögliche Alternativen vorschlagen – sofern es denn überhaupt welche gibt.»

Ob und auf welches verfügbare Medikament gewechselt wird, entscheidet die Patientin oder der Patient zusammen mit der Fachperson, die das Medikament verschrieben hat. Aber auch bei Medikamenten, die kein Rezept benötigen, lohnt sich die Rücksprache mit einer Fachperson. «Vor allem vom Bezug von Medikamenten über das Internet raten wir ab», warnt Kreyenbühl. «Diese Medikamente können aus einer illegalen ausländischen Quelle stammen und von mangelhafter Qualität sein». Wobei das natürlich nicht für Schweizer Versandapotheken mit entsprechender kantonaler Bewilligung gelte, fügt er hinzu.

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