Massnahmen gegen steigende Gesundheitskosten
Was ist eigentlich integrierte Versorgung?

Integrierte Versorgung, vom Bundesamt für Gesundheit auch koordinierte Versorgung genannt, ist ein wichtiger Begriff in der aktuellen Diskussion um die steigenden Gesundheitskosten. Aber um was genau geht es dabei? Eva Blozik, Leiterin Versorgungsforschung bei SWICA, erklärt das Konzept im Interview.

Eva Blozik, was ist integrierte Versorgung? 

Integriert bedeutet in diesem Sinne so viel wie vernetzt – und genau darum geht es. Ziel ist es die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen wie Ärzte, Therapeuten, Pflegende, Apotheker, die Patienten aber auch Bund und Kanton sowie Krankversicherer zusammen zu bringen. Durch die verstärkte Synergienutzung kann mit besseren Ressourcen und Möglichkeiten für die Gesundheit des Patienten gearbeitet werden. Heute hängt die Versorgung immer noch viel zu oft davon ab, wo die Patienten medizinische Hilfe suchen. Richtigerweise müssten dafür aber die individuelle Situation sowie die verfügbaren Informationen und Kompetenzen im Gesundheitswesen ausschlaggebend sein.  

Wieso braucht es das? 

Wir sehen uns mit steigenden Zahlen an chronisch Kranken konfrontiert. Besonders komplex ist der Versorgungsbedarf von Personen mit Mehrfacherkrankungen. Die Qualität ihrer Versorgung hängt ganz entscheidend davon ab, wie gut sich die involvierten Ärzte und Fachpersonen absprechen.  

Gleichzeitig haben wir einen steigenden Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Das und zahlreiche weitere Faktoren führen dazu, dass wir immer mehr Schwierigkeiten haben, eine optimale und auf den Patientennutzen ausgerichtete Gesundheitsversorgung sicherzustellen. 

Bedeutet das, dass wir mehr Fachkräfte ausbilden und weitere Gesundheitsleistungen anbieten sollten? Würde das nicht einen Kostenschub mit sich bringen? 

Bei der integrierten Versorgung geht es darum, dass entlang des gesamten Patientenpfad optimal koordiniert wird. Ziel ist es, die folgenden Problemstellungen zu verhindern: Eine Überversorgung, also nachgewiesen unnütze oder schädliche Massnahmen, eine Unterversorgung, hier werden sinnvolle Massnahmen zu selten eingesetzt sowie eine Fehlversorgung, bei der auf sichere und wirksamere Alternativen verzichtet wird. Damit steigt die Qualität der Versorgung und der Kostenanstieg wird gebremst. Es ist wichtig, dass wir die Voraussetzungen für neue Modelle schaffen, um die vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen bestmöglich einsetzen zu können.

Ziel der integrierten Versorgung ist es, eine Über- oder Unterversorgung zu verhindern.

Eva Blozik, Leiterin Versorgungsforschung bei SWICA*

Können Sie dazu ein Beispiel machen? 

Basierend auf dem Prinzip einer gemeinsamen Behandlung und einer besseren Zusammenarbeit entwickelt SWICA zusammen mit dem Kantonsspital Winterthur und Medbase ein neuartiges Versorgungsmodell im Raum Winterthur. Verbunden werden hier die stationäre und ambulante Medizin, womit Ressourcen gebündelt und freie Energie für die Versorgung von Patientinnen und Patienten geschaffen wird. 

Potenzial sehe ich auch bei Pflegefachpersonen. Sie könnten neue Rollen übernehmen. Beispielsweise kann der Beruf der «Advanced Practice Nurse» die Versorgung von Personen mit Mehrfacherkrankungen und komplexen Pflegesituationen und Versorgungsbedürfnissen unterstützen. Aber auch andere Berufsgruppen wie Apotheker könnten ihr Fachwissen noch besser bei der Patientenversorgung einsetzen.

Wie schaffen wir mehr integrierte Versorgung? 

Die Zusammenarbeit muss gefördert und gelebt werden. Das beginnt teilweise bereits in der Ausbildung. Ausserdem braucht es Rahmenbedingungen und Anreize aus der Politik, damit es für die Akteure attraktiv ist, sich für integrierte Versorgung zu engagieren.

*Eva Blozik, Leiterin Versorgungsforschung bei SWICA, hat den Zuhörerinnen und Zuhörern an der diesjährigen Swiss Public Health Conference das Thema «integrierte Versorgung» in einfacher Weise nähergebracht.

22.09.2022

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