Wintersession 2023
Blick nach Bern: Gesundheitspolitik im Bundeshaus

Vom 4. bis zum 22. Dezember 2023 treffen sich der neu gewählte National- und Ständerat in Bern zur Wintersession. Sie markiert den Beginn einer neuen Legislatur und steht ganz im Zeichen der Wahl der Nachfolgerin oder des Nachfolgers von Bundesrat Alain Berset vom 13. Dezember 2023. Ann-Karin Wicki, Leiterin Public Affairs bei SWICA, erklärt, welche Geschäfte aus gesundheitspolitischer Sicht besonders wichtig sind.

Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS)

Es zeichnet sich ein Kräftemessen zwischen Stände- und Nationalrat ab. Der Ständerat hält aktuell in allen kritischen Punkten an seiner ursprünglichen Meinung fest. Demnach will er die Pflegefinanzierung automatisch sieben Jahre nach Ablauf der Referendumsfrist in die einheitliche Finanzierung integrieren. Die Kantone sollen alle Rechnungen für stationäre Spitalaufenthalte erhalten, was zu einer doppelten und damit ineffizienten Rechnungskontrolle durch die Krankenversicherer und die Kantone führen wird. Ausserdem will der Ständerat den Kantonen die Möglichkeit einräumen, Beschwerde gegen Rechnungen zu führen, bei denen sie die Bedingungen für eine Kostenübernahme als nicht erfüllt betrachten. Es bleibt abzuwarten, wer sich im Differenzbereinigungsverfahren durchsetzen wird. Am 22. Dezember 2023 werden wir mehr wissen.

SWICA hat die Einführung von EFAS immer befürwortet. Allerdings lehnt sie eine doppelte Rechnungskontrolle durch die Kantone ab, auch wenn das «nur» den stationären Bereich betrifft. Insbesondere das neue Beschwerderecht würde zu einem massiven administrativen und juristischen Mehraufwand führen. Die Rechnungskontrolle ist die Kernkompetenz der Krankenversicherer und soll es auch bleiben. 

Auch eine automatische Integration der Pflegefinanzierung ohne klare Rahmenbedingungen beurteilt SWICA äusserst kritisch. SWICA ist überzeugt, dass die Pflegefinanzierung aufgrund der demographischen Entwicklung in den nächsten Jahren einer Evaluation und wahrscheinlich auch einer Revision unterzogen werden muss. Sie empfiehlt deshalb, die Frist von sieben Jahren zu nutzen, Transparenz zu schaffen, ein tragfähiges und nachhaltiges Konzept zu erstellen und dieses im Rahmen eines neuen Revisionsverfahrens nochmals beurteilen zu lassen.

Digitalisierung: Elektronisches Patientendossier (EPD) und elektronisches Verfahren in der ersten Säule

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Schweiz bei der Digitalisierung im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich noch in den Kinderschuhen steckt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) wollen dieses Manko in den kommenden Jahren beseitigen. Das BAG hat zwei Gesetzesrevisionen zum EPD lanciert, die sich gegenseitig ergänzen sollen. Die erste Vorlage sichert die Finanzierung, bis das EPD umfassend revidiert ist. Sie wird am 14. Dezember 2023 im Nationalrat beraten. Die nationalrätliche Kommission empfiehlt, die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Führung des EPD bereits jetzt ins Gesetz aufzunehmen. 

Das BSV hat ein Projekt lanciert, mit dem die erste Säule (insbesondere AHV und IV) digitalisiert werden soll (Dikos). Die Ausgleichskassen ihrerseits wollen das Verfahren in der ersten Säule digitalisieren und bringen ihre Vorschläge in Form einer Motion in die parlamentarische Diskussion ein. Diese Motion wird vom Ständerat behandelt.

SWICA beurteilt eine Beschleunigung der Digitalisierung grundsätzlich positiv. Da in der Praxis schon viele Lösungen umgesetzt worden sind, empfiehlt sie, dass Behörden und privatwirtschaftliche Akteure zusammenarbeiten, um tragfähige und finanzierbare Lösungen zu finden und Doppelspurigkeiten zu vermeiden.

Krankenversicherung: Alter Wein in neuen Schläuchen?

Als Folge der aktuellen Prämienentwicklung haben verschiedene Parlamentsmitglieder Vorstösse eingereicht, die zum Ziel haben, die Kosten und/oder die Prämien zu senken. Einige dieser Vorstösse werden in der Wintersession im Ständerat behandelt. Die Grüne Partei beispielsweise fordert einen Wechsel von den heutigen Kopfprämien auf einkommens- und vermögensabhängige Prämien. Der Bundesrat lehnt diese Forderung ab und verweist auf die individuellen Prämienverbilligungen, die als Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative der SP verbessert werden sollen. Die Mitte fordert eine Lockerung des Vertragszwangs. Das würde bedeuten, dass die Krankenversicherer nicht mehr – wie heute vom Gesetz vorgeschrieben – mit allen Ärztinnen und Ärzten zusammenarbeiten müssten. Um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auf dem heutigen Niveau sicherzustellen, sollen folgende Rahmenbedingungen berücksichtigt werden: (1) Versorgungssicherheit ist gewährleistet, (2) Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit müssen erfüllt sein und (3) ein wettbewerbskonformes und korrektes Verhalten muss sichergestellt sein. Der Bundesrat hat zu diesem Vorstoss noch keine Empfehlung abgegeben.

Mit Blick auf den Systemwechsel bei den Prämien ist das Abstimmungsresultat zur Prämienentlastungs-Initiative der SP im Juni 2024 abzuwarten. Wird die Initiative angenommen, kommt die Frage von einkommensabhängigen Prämien auf die politische Agenda. Spricht sich das Stimmvolk für den Gegenvorschlag aus, wird das System der Prämienverbilligungen angepasst. Aus Sicht von SWICA erscheint es im zweiten Fall sinnvoll, die Auswirkungen dieser Revision abzuwarten, bevor weitere Anpassungen beschlossen werden.

Die Lockerung des Vertragszwangs wurde in den letzten Jahren politisch immer wieder diskutiert, konnte sich aber bisher nicht durchsetzen. Die Krankenversicherer begrüssen diese Massnahme grundsätzlich. Auch SWICA steht der Prüfung des Anliegens offen gegenüber. Allerdings ist für sie zentral, dass ihre Kundinnen und Kunden im Krankheitsfall optimal betreut werden. Eine abschliessende Beurteilung des Vorstosses ist also davon abhängig, ob die konkrete Ausgestaltung diese Bedingung erfüllt oder nicht.

Reserven-Standpunkt SWICA

Schweizer Krankenversicherer sind gesetzlich dazu verpflichtet, Reserven in der Grundversicherung anzulegen, damit sie auch bei einem Jahrhundertereignis zahlungsfähig bleiben. Die Höhe der Reserven wird mit der Solvenzquote festgelegt: Gegenwärtig müssen die Versicherer in jedem Fall über Reserven verfügen, die mindestens 100 Prozent der in der Verordnung vorgeschriebenen Mindesthöhe betragen. Die Krankenversicherungsaufsichtsverordnung sieht für die Krankenversicherungen einen freiwilligen Abbau der Reserven vor, wobei auch nach einem freiwilligen Abbau die Mindestreserven vorhanden sein müssen. Konkret heisst das: Ein Krankenversicherer muss im Minimum ein Jahr zahlungsfähig bleiben, auch wenn in diesem Jahr ein Jahrhundertereignis eintritt. Das Geld aus dem Reserveabbau kommt den Versicherten zugute.

Für SWICA gilt: Unsere Reserven sind solide, aber nicht übermässig hoch. Die Strategie von SWICA ist stets, Prämienerhöhungen zu minimieren oder ganz zu vermeiden. Aus diesem Grund berechnet sie die Prämien ohne Sicherheitsmarge. SWICA nimmt dabei in Kauf, dass in einzelnen Regionen sehr knappe oder gar negative Ergebnisse resultieren, die mit einem Abbau der Reserven ausgeglichen werden. Ziel ist, dass sich die Solvenzquote mit der Zeit auf rund 150 Prozent einpendelt.  

Einen Abbau der Reserven bis auf 100 Prozent erachten wir als unverantwortlich, weil dadurch die Gefahr von Prämiensprüngen und unterjährigen Prämienerhöhungen massiv erhöht wird. Die Reduktion der Reserven aus politischen Gründen kam seit Inkrafttreten des KVG bereits zweimal zum Einsatz. Beide Male folgten sprunghafte Prämienanstiege. Auch der Prämienanstieg per 01.01.2023 spiegelt den Druck auf die Reserven. Ein Reserveabbau ist darum mit grösster Sorgfalt zu planen und unter strenger Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.

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