Sommersession 2023
Der Rückblick nach Bern: Gesundheitspolitik im Bundeshaus

In den letzten drei Wochen hat das Parlament im Rahmen der Sommersession verschiedene gesundheitspolitische Themen beraten und Entscheidungen getroffen. Ann-Karin Wicki, Leiterin Public Affairs, ordnet die wichtigsten Geschäfte ein.

1. Prämien-Entlastungs-Initiative

Maximal zehn Prozent sollen die Krankenkassenprämien vom verfügbaren Einkommen ausmachen – so will es die SP mit ihrer Prämien-Entlastungs-Initiative. Alles über zehn Prozent soll gemäss der Initiative durch Prämienverbilligungen abgedeckt werden. Der Nationalrat will die Kantone mit einem Gegenvorschlag zur Initiative stärker in die Pflicht nehmen: Sie sollen einen minimalen Gesamtbetrag für die Prämienverbilligung aufwenden. In der vergangenen Wintersession ist der Ständerat nicht auf den Gegenvorschlag eingetreten. Der Nationalrat hielt daraufhin im Frühjahr am Gegenvorschlag fest. 

Nachdem die Gesundheitskommission des Ständerats im April 2023 den Vorschlag des Nationalrats mit Anpassungen zur Annahme empfohlen hatte, nahm der Ständerat diesen nun an. Damit sollen die Kantone zwar verpflichtet werden, einen Mindestbetrag für die Prämienverbilligung aufbringen zu müssen, allerdings soll dieser tiefer ausfallen als vom Bundesrat vorgesehen. Entscheidend für die Kehrtwende im Ständerat war die Mitte-Partei. Sie stimmte mit wenigen Ausnahmen für den Kompromiss ihrer Kommission. Die SVP stimmte dagegen, während die FDP gespalten war. Damit geht das Geschäft zurück in den Nationalrat.

SWICA steht dieser Initiative neutral gegenüber.

2. Kostenbremse-Initiative

Die Kosten im Gesundheitswesen steigen. Die Mitte will diese Entwicklung mit ihrer Kostenbremse-Initiative verlangsamen. Im Parlament fand die Kostenbremse-Initiative keine Mehrheit, aber man ist sich einig: Die Kosten dürfen nicht weiter ungehindert steigen. Deshalb arbeitet das Parlament an einem Gegenvorschlag. Beide Kammern wollen, dass der Bundesrat jeweils für die nächsten vier Jahre Kosten- und Qualitätsziele festlegt. Die Kantone können sich selbst auch Kosten- und Qualitätsziele setzen – der Vorschlag des Bundesrates dient zur Orientierung. Doch was, wenn die Ziele nicht erreicht werden? Hier sieht der Vorschlag keine Vorgaben vor. Die Gegner warnen vor Planwirtschaft, die Befürworter hoffen auf mehr Transparenz bei den Gesundheitskosten.

In der Sommersession rangen die Räte nun um Einigung in den Punkten, in denen sie noch ohne Konsens waren. Einigen konnten sie sich darauf, dass der Bundesrat nicht in die ambulante Tarifstruktur TARMED eingreifen muss. Ausserdem ist die Vertragsfreiheit der Laboratorien definitiv vom Tisch. Uneinig sind sich die beiden Kammern aber weiterhin darin, ob der Bundesrat subsidiäre Kompetenzen im stationären Bereich erhalten soll oder nicht. Der Ständerat lehnt dies nach wie vor ab, während sich der Nationalrat weiterhin dafür ausspricht. Der Nationalrat hielt auch daran fest, dass unabhängige Dritte die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Leistung prüfen sollen. Mit dem Abschluss der Verhandlungen ist in der Herbstsession 2023 zu rechnen.

Die Steuerung der Gesundheitskosten ist nur dann sinnvoll, wenn die Versicherten finanziell entlastet werden. Weder die Initiative noch der Gegenvorschlag erfüllen diese Bedingung. Beide Vorlagen führen dazu, dass weniger Geld ins System fliesst als benötigt wird, um die Kosten zu decken. Die Folge davon ist ein Ungleichgewicht bei der Finanzierung des Gesundheitssystems.

3. Reserven

Jedes Jahr versuchen die Krankenversicherer die Gesundheitskosten für das kommende Jahr zu schätzen. Zeigt die Prognose, dass die Gesundheitskosten steigen, steigen auch die Prämien und wenn die Schätzung für die Gesundheitskosten nach unten zeigt, sinken die Prämien wieder. Aber ganz exakt lassen sich die Kosten nie vorhersagen – deshalb müssen alle Krankenversicherungen Reserven haben, die eine Mindesthöhe nicht unterschreitet. 

Einige parlamentarische Vorstösse verlangen, dass die Reserven abgebaut werden müssen, wenn sie einen bestimmten Anteil überschreiten. Der Ständerat entschied im Frühjahr 2023 gegen einen obligatorischen Reserveabbau, denn das heutige System könne Schwankungen gut auffangen und sichere zudem die Zahlungsfähigkeit der Krankenversicherer. Auch Gesundheitsminister Alain Berset warnt vor Prämiensprüngen bei einer Einführung eines Automatismus. 

Wie der Ständerat entschied auch der Nationalrat, nicht auf die Vorstösse einzutreten. Sie sind damit gegenstandslos.

Einen obligatorischen Reserveabbau erachtet SWICA als unverantwortlich. Er birgt die Gefahr von Prämiensprüngen und unterjährigen Prämienanpassungen. Ein Reserveabbau muss deshalb mit grösster Sorgfalt geplant und unter strenger Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durchgeführt werden.

Reserven-Standpunkt SWICA

Schweizer Krankenversicherer sind gesetzlich dazu verpflichtet, Reserven in der Grundversicherung anzulegen, damit sie auch bei einem Jahrhundertereignis zahlungsfähig bleiben. Die Höhe der Reserven wird mit der Solvenzquote festgelegt: Gegenwärtig müssen die Versicherer in jedem Fall über Reserven verfügen, die mindestens 100 Prozent der in der Verordnung vorgeschriebenen Mindesthöhe betragen. Die Krankenversicherungsaufsichtsverordnung sieht für die Krankenversicherungen einen freiwilligen Abbau der Reserven vor, wobei auch nach einem freiwilligen Abbau die Mindestreserven vorhanden sein müssen. Konkret heisst das: Ein Krankenversicherer muss im Minimum ein Jahr zahlungsfähig bleiben, auch wenn in diesem Jahr ein Jahrhundertereignis eintritt. Das Geld aus dem Reserveabbau kommt den Versicherten zugute.

Für SWICA gilt: Unsere Reserven sind solide, aber nicht übermässig hoch. Die Strategie von SWICA ist stets, Prämienerhöhungen zu minimieren oder ganz zu vermeiden. Aus diesem Grund berechnet sie die Prämien ohne Sicherheitsmarge. SWICA nimmt dabei in Kauf, dass in einzelnen Regionen sehr knappe oder gar negative Ergebnisse resultieren, die mit einem Abbau der Reserven ausgeglichen werden. Ziel ist, dass sich die Solvenzquote mit der Zeit auf rund 150 Prozent einpendelt.  

Einen Abbau der Reserven bis auf 100 Prozent erachten wir als unverantwortlich, weil dadurch die Gefahr von Prämiensprüngen und unterjährigen Prämienerhöhungen massiv erhöht wird. Die Reduktion der Reserven aus politischen Gründen kam seit Inkrafttreten des KVG bereits zweimal zum Einsatz. Beide Male folgten sprunghafte Prämienanstiege. Auch der Prämienanstieg per 01.01.2023 spiegelt den Druck auf die Reserven. Ein Reserveabbau ist darum mit grösster Sorgfalt zu planen und unter strenger Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.

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