Wegovy: Geschlechterkluft bei Abnehmspritzen-Verbrauch
Die Abnehmspritze Wegovy wird zum Kostentreiber: Seit der Vergütung durch die Grundversicherung steigen die Ausgaben rasant. Dem gegenüber stehen die bislang noch unklaren Kosteneinsparungen, die mit einer Gewichtsreduktion und der damit verbesserten Gesundheit von Adipositasbetroffenen einhergehen.
12.06.2025 | von Gioia Wetter
Die Abnehmspritze Wegovy wird seit März 2024 durch die Grundversicherung vergütet. Seitdem steigen die Kosten dafür steil an. Insgesamt wurden 2024 für die Abnehmspritze 5,8 Millionen Franken über die Grundversicherung abgerechnet.
Neu führt das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) im Versorgungsatlas den Verbrauch von Abnehmspritzen separat auf. Dort werden aktuell 124 Indikatoren wie Therapien, Symptome, Diagnosen oder Medikamente überwacht. Dass Abnehmspritzen und oral einzunehmende Medikamente für die Gewichtsreduktion nun je einen separaten Indikator erhalten haben, zeigt, wie relevant das Thema für die Gesundheitsversorgung in der Schweiz geworden ist.
Verbrauch bei Frauen doppelt so hoch
Spannend ist der Geschlechtereffekt, der im Gesundheitsatlas für Abnehmspritzen sichtbar wird und den auch SWICA in ihren Abrechnungsdaten nachvollziehen kann: Von den rund 6 Millionen Franken, die für Abnehmpräparate aus der Grundversicherung von SWICA bezahlt wurden (neben Wegovy auch Saxenda, das aber nur noch einen kleinen Anteil ausmacht), entfielen 4,4 Millionen Franken auf Frauen und nur 1,9 Millionen Franken auf Männer.
«Frauen beziehen somit mehr als doppelt so häufig Abnehmspritzen als Männer – zumindest über die Grundversicherung.»
Aurélien Sallin, Experte Versorgungsforschung bei SWICA
Das ist kontraintuitiv, zumal in der Schweiz gemäss OBSAN mehr Männer (52,3%) als Frauen (33,8%) übergewichtig oder adipös sind. «Auf mögliche Gründe können wir anhand unserer Zahlen keine Rückschlüsse ziehen», erklärt Sallin. Die Vermutung liege nahe, dass dies damit zusammenhänge, dass Frauen im Allgemeinen gesundheitsbewusster leben und sich bei gesundheitlichen Beschwerden schneller Hilfe suchen.
Die monatlichen Bruttokosten für Wegovy und Saxenda in der OKP von SWICA sind bei Frauen doppelt so hoch als bei Männern.
Egal wie alt: Alle greifen mehr zur Spritze
Obsan unterscheidet in seiner Analyse auch zwischen Altersgruppen, wobei sich eine Zunahme über alle Altersgruppen hinweg zeigt. Am meisten steigt der Verbrauch bei den 46- bis 65-Jährigen. Der effektive Verbrauch sinkt ab 56 Jahren wieder – das hängt damit zusammen, dass dort vermehrt Medikamente gegen Typ-2-Diabetes (Ozempic und Rybelsus) zum Einsatz kommen.
Mounja Schröder, Expertin Medikamente bei SWICA, rechnet kurz- bis mittelfristig nicht damit, dass die grosse Nachfrage abreissen wird. «Das Abnehmpräparat ist ein Game-Changer für Menschen mit Adipositas, die oft einen langen Leidensweg hinter sich haben», sagt Schröder. Dass der Trend beim Verbrauch eher aufwärts zeigt, hänge auch damit zusammen, dass die positiven Effekte gemäss ersten Studien sogar noch vielfältiger sind als bisher angenommen: Da sich Übergewicht auf so vielen verschiedenen Ebenen negativ auf die Gesundheit auswirkt, hilft das Medikament auch gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gelenkbeschwerden, Diabetes, Depressionen oder Schlafprobleme.
Auf drei Jahre beschränkt
Die Kriterien, wann die Krankenversicherung die Kosten für die Abnehmspritze übernimmt, sind äusserst strickt: Die betroffene Peron muss stark übergewichtig sein und/oder an einer Begleiterkrankung leiden. Das Medikament muss zudem von einer Facharztpraxis für Endokrinologie oder einem Adipositaszentrum verschrieben werden. Zur obligatorischen Behandlung gehört ein umfassendes Programm zur Verhaltensveränderung, vor allem bezogen auf Ernährung und Bewegung, sowie regelmässige Verlaufskontrollen.
Aktuell ist die Vergütungsdauer zudem auf drei Jahre beschränkt. Das sieht Schröder kritisch: «Es zeigt sich, dass Menschen, die das Medikament absetzen, fast alle wieder ihr Ursprungsgewicht erlangen.» Sie könne sich daher ein Szenario vorstellen, bei dem die Einstiegskriterien noch strikter sind, das Medikament danach aber längerfristig von der Grundversicherung übernommen wird. «So wären die gesundheitlichen Effekte nachhaltig, was sich wiederum kostendämpfend auswirken würde. Die Folgeerkrankungen von unbehandeltem Übergewicht sind nämlich stattlich», erklärt Schröder.
Keine Lösung für kurzfristige Gewichtsabnahme
Was die Zahlen der Grundversicherung nicht verraten, ist der tatsächliche Verbrauch in der Bevölkerung: Patientinnen und Patienten können die Spritzen auch in der Hausarztpraxis oder in der Apotheke auf Rezept beziehen, wenn sie diese selber bezahlen. Wieso sich Wegovy, Ozempic und Co. aber nicht eignen, um ein paar Kilo für die Bikinifigur zu verlieren, erklärt Dr. Silke Schmitt Oggier, Chefärztin bei santé24, im Video.
Wie Wegovy, Ozempic und Co. wirken, was dabei beachtet werden muss und wie die Onlinepraxis santé24 Personen mit Übergewicht bei einem gesunden Lebensstil unterstützt, erklärt Dr. Silke Schmitt Oggier, Chefärztin bei santé24, im Video.