Herbstsession 2023
Blick nach Bern: Gesundheitspolitik im Bundeshaus

Vom 11. bis zum 29. September 2023 findet in Bern die Herbstsession der Eidgenössischen Räte statt. Dabei behandeln der National- und Ständerat auch gesundheitspolitische Themen. Ann-Karin Wicki, Leiterin Public Affairs bei SWICA, erklärt, um welche Geschäfte es sich dabei handelt.

Prämien-Entlastungs- und Kostenbremse-Initiative

Zwei hängige Volksinitiativen, die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP und die Kostenbremse-Initiative der Mitte, sollen weiter beraten werden. Zu beiden Vorlagen hat der Bundesrat dem Parlament Gegenvorschläge unterbreitet. Die SP-Initiative verlangt, dass keine versicherte Person mehr als 10 Prozent des verfügbaren Einkommens für die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung bezahlen muss. Der Bundesrat schlägt hingegen vor, dass die Kantone zu einem Mindestbeitrag an die Prämienverbilligung verpflichtet werden. Dafür massgebend wäre ein fixer Prozentsatz der Bruttokosten der obligatorischen Krankenversicherung aller in einem Kanton wohnhaften Personen.

Die Mitte-Partei will die Gesundheitskostenentwicklung an die Entwicklung der Gesamtwirtschaft binden: Die Kosten sollen nicht stärker steigen als die durchschnittlichen Löhne. Der Bundesrat empfiehlt, die Initiative abzulehnen, schlägt aber vor, Zielvorgaben einzuführen. So soll das Wachstum der Gesundheitskosten gelenkt und die Prämienentwicklung für die Versicherten begrenzt werden. 

Beide Initiativen haben zum Ziel, den Anstieg der Prämien zu bremsen. Allerdings greifen beide Vorlagen zu kurz: Während sich die SP ausschliesslich auf die Prämien konzentriert, geht vergessen, dass diese die entstehenden Gesundheitskosten decken müssen. Die Vorlage der Mitte vernachlässigt hingegen wichtige Faktoren des Gesundheitswesens, die einen grossen Einfluss auf die Kostenentwicklung haben – beispielsweise die demographische Entwicklung oder den medizintechnologischen Fortschritt.

SWICA plädiert dafür, auf Aktivismus zu verzichten und endlich Transparenz zu schaffen, wofür das Geld im Gesundheitswesen eingesetzt wird. So liessen sich die 20 Prozent unnötige Leistungen identifizieren und die Gesundheitsversorgung könnte besser auf die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten ausgerichtet werden. Das heisst konkret: Technologiefolgen effizient und effektiv schätzen, die Zulassung von Leistungserbringern nach transparenten Kriterien regeln und den Leistungskatalog sinnvoll bereinigen.

Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS)

Diese Vorlage soll vom Parlament in der Herbstsession verabschiedet werden. Der ursprüngliche Vorschlag sah vor, die ambulanten und stationären Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung einheitlich von Kantonen und Krankenversicherungen finanzieren zu lassen: Die Kantone sollten sich mit 25 bis 27 Prozent an allen Leistungen beteiligen, die Krankenversicherer den Rest finanzieren. Doch das Parlament hat daraus zwischenzeitlich ein Geschäft von wesentlich grösserer Tragweite geschaffen. So soll die Finanzierung der Pflegeleistungen zeitlich verzögert ebenfalls integriert werden oder die Kantone sollen sämtliche Rechnungsdaten erhalten, weil sie eine eigene Rechnungskontrolle einführen wollen.

Aus Sicht von SWICA wird die Pflegefinanzierung zu einer der grossen Herausforderungen der nächsten Jahre. Das Anliegen, diese bereits im Rahmen von EFAS neu zu regeln, ist verständlich, aber ein politischer Schnellschuss ist zu vermeiden. SWICA plädiert dafür, in den nächsten Jahren die Grundlagen zu schaffen, um fundiert entscheiden zu können, wie die Pflege nachhaltig finanziert werden kann. 

Einen Ausbau der Rechnungskontrolle durch die Kantone lehnt SWICA ab. Teure und unnötige Doppelspurigkeiten sind zu vermeiden. Die Rechnungskontrolle ist die Grundkompetenz der Krankenversicherer, eine zusätzliche Kontrolle durch die Kantone ist ineffizient und unverhältnismässig. Sie verteuert das System unnötig.

Zweites Massnahmenpaket zur Kostendämpfung

Dieses Paket umfasst diverse Vorschläge, die zu einer weiteren Kostendämpfung sowie zu einer besseren Steuerung des Gesundheitswesens beitragen sollen. Interessanterweise hielt der Bundesrat in seiner Botschaft fest, dass die Massnahmen nur dann kostendämpfend wirken, wenn die Akteure sie sinnvoll umsetzen. Bei keiner der vorgeschlagenen Massnahmen ist ein klares Einsparpotenzial erkennbar.

Für SWICA sind die Einführung von Netzwerken zur koordinierten Versorgung, die gesetzliche Regelung zu Preismodellen und die vertraulichen Rückerstattungen bei hochpreisigen Medikamenten die drei zentralen Punkte der Revision.

SWICA lehnt die Einführung von Netzwerken zur koordinierten Versorgung als neue Leistungserbringer ab. Wie alle Leistungserbringer unterstehen auch die Netzwerke dem Vertragszwang. Heute können Krankenversicherer und Leistungserbringer Netzwerke auf freiwilliger Basis gründen, so dass die Kostenentwicklung transparent und damit beeinflussbar ist. Staatlicher Zwang wird dies zunichte machen. Stattdessen sollten Bundesrat und Parlament Anreize setzen, um integrierte Versorgung und Netzwerke für Leistungserbringer attraktiv zu machen. Es gilt, den aktuellen Schwung zu nutzen und zu stärken.

Reserven-Standpunkt SWICA

Schweizer Krankenversicherer sind gesetzlich dazu verpflichtet, Reserven in der Grundversicherung anzulegen, damit sie auch bei einem Jahrhundertereignis zahlungsfähig bleiben. Die Höhe der Reserven wird mit der Solvenzquote festgelegt: Gegenwärtig müssen die Versicherer in jedem Fall über Reserven verfügen, die mindestens 100 Prozent der in der Verordnung vorgeschriebenen Mindesthöhe betragen. Die Krankenversicherungsaufsichtsverordnung sieht für die Krankenversicherungen einen freiwilligen Abbau der Reserven vor, wobei auch nach einem freiwilligen Abbau die Mindestreserven vorhanden sein müssen. Konkret heisst das: Ein Krankenversicherer muss im Minimum ein Jahr zahlungsfähig bleiben, auch wenn in diesem Jahr ein Jahrhundertereignis eintritt. Das Geld aus dem Reserveabbau kommt den Versicherten zugute.

Für SWICA gilt: Unsere Reserven sind solide, aber nicht übermässig hoch. Die Strategie von SWICA ist stets, Prämienerhöhungen zu minimieren oder ganz zu vermeiden. Aus diesem Grund berechnet sie die Prämien ohne Sicherheitsmarge. SWICA nimmt dabei in Kauf, dass in einzelnen Regionen sehr knappe oder gar negative Ergebnisse resultieren, die mit einem Abbau der Reserven ausgeglichen werden. Ziel ist, dass sich die Solvenzquote mit der Zeit auf rund 150 Prozent einpendelt.  

Einen Abbau der Reserven bis auf 100 Prozent erachten wir als unverantwortlich, weil dadurch die Gefahr von Prämiensprüngen und unterjährigen Prämienerhöhungen massiv erhöht wird. Die Reduktion der Reserven aus politischen Gründen kam seit Inkrafttreten des KVG bereits zweimal zum Einsatz. Beide Male folgten sprunghafte Prämienanstiege. Auch der Prämienanstieg per 01.01.2023 spiegelt den Druck auf die Reserven. Ein Reserveabbau ist darum mit grösster Sorgfalt zu planen und unter strenger Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.

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