Studie zeigt hohe Folgekosten nach CAR-T-Zelltherapie
Eine neue Studie zeigt hohe Folgekosten für Patientinnen und Patienten nach einer CAR-T-Zelltherapie zur Behandlung des grosszelligen B-Zell-Lymphoms. Im Interview erklärt Maria Trottmann, Expertin Versorgungsforschung bei SWICA, wie die Studienergebnisse einzuordnen sind.
In der Fachzeitschrift Swiss Medical Weekly wurde am 1. Oktober 2023 eine Studie veröffentlicht, die erstmals die Gesundheitsausgaben sowie das Gesamtüberleben von Patientinnen und Patienten nach einer CAR-T-Behandlung anhand von anonymisierten Abrechnungsdaten aus der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) beschreibt (siehe Medienmitteilung vom 2. Oktober 2023). Die Studie wurde unter der Federführung von SWICA durch die Krankenversicherer Concordia, CSS, Groupe Mutuel, Helsana, ÖKK, Sanitas, Sympany, und Visana durchgeführt.
Wissenschaftlich begleitet wurde die Studie durch Mark Pletscher und Niklaus Meier vom Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik der Berner Fachhochschule. Verantwortlich seitens SWICA zeichnete Maria Trottmann, Expertin Versorgungsforschung.
Maria Trottmann, worum handelt es sich bei der CAR-T-Zelltherapie?
Die CAR-T-Zelltherapie ist eine neuartige Behandlungsmethode, die im Herbst 2018 erstmals in der Schweiz zugelassen wurde. Dr. med. Ellen Heitlinger, CEO der medizinischen Kommunikationsagentur H+O communications Ltd., hat das Verfahren kürzlich in der Ärztezeitung einfach zusammengefasst: So werden bei der CAR-T-Zelltherapie körpereigene T-Zellen so modifiziert, dass sie Tumorzellen erkennen und abtöten können.
Die CAR-T-Zelltherapie ist nicht nur technologisch ein Durchbruch, sondern hat in klinischen Studien auch einen Überlebensvorteil und heilendes Potenzial bei bestimmten Lymphomen und Leukämien gezeigt. Ein Beispiel ist das grosszellige B-Zell-Lymphom.
Die hohen Preise der CAR-T-Zelltherapien wurden kontrovers diskutiert. Was hat die Studie diesbezüglich ergeben?
Interessiert haben uns vor allem die Ausgaben nach der CAR-T-Behandlung. In den Monaten drei bis 14 nach der Zelltherapie beobachten wir durchschnittliche Ausgaben von 8 000 bis 10 000 Franken pro Monat. Rund die Hälfte dieser Folgekosten fiel im stationären Bereich an – das deutet auf einen hohen Anteil Patientinnen und Patienten in Spitalpflege hin. Insgesamt betrugen die Ausgaben zwischen einem Monat vor bis 24 Monate nach der CAR-T-Behandlung, die durch die OKP und die Kantone bezahlt wurden, rund 215 000 Franken pro behandelte Person. Nicht enthalten sind darin die Ausgaben für die CAR-T-Zelltherapie selbst, denn darüber wurde Vertraulichkeit vereinbart.
«Die geschätzte Überlebenswahrscheinlichkeit nach 24 Monaten betrug 48 Prozent.» Maria Trottmann, Expertin Versorgungsforschung bei SWICA
Ebenfalls untersucht wurde die Überlebenswahrscheinlichkeit nach dieser Behandlung. Was sind da die Erkenntnisse?
Die Erwartungen aus den Zulassungsstudien wurden bestätigt: Die geschätzte Überlebenswahrscheinlichkeit nach 24 Monaten betrug 48 Prozent. Vier der 81 Patientinnen und Patienten verstarben im ersten Monat nach der Therapie, neun Patientinnen oder Patienten mussten von der CAR-T-Behandlung bis zu ihrem Tod im Spital verbleiben. Diese 48 Prozent Überlebenswahrscheinlichkeit nach 24 Monaten ist deutlich höher als die Überlebenswahrscheinlichkeit im gleichen Zeitraum bei älteren Therapiealternativen. Diese lag gemäss älteren Studien bei rund 17 Prozent.
Eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit, aber auch höhere Kosten. Wie ist das einzuordnen?
Aus gesellschaftlicher Sicht ist das Glas sprichwörtlich halb voll und halb leer – je nach Perspektive. Einerseits bestätigt die Studie, dass CAR-T-Zelltherapien einen patientenrelevanten Nutzen bringen und Überlebenswahrscheinlichkeit nach 24 Monaten erhöhen. Anderseits zeigen die hohen Kosten in den Folgemonaten, dass die gesundheitliche Belastung für einen Grossteil der Patientinnen und Patienten erheblich bleibt. Es braucht weitere Forschung, um auch die Lebensqualität der Betroffenen zu beurteilen und den langfristigen Mehrwert gegenüber anderen Behandlungsoptionen einzuschätzen.
In den ersten Verhandlungen wurden die hohen Preisforderungen damit begründet, dass nach der Einmalbehandlung keine weiteren Behandlungskosten mehr anfallen. Wenn sich diese Erwartung nicht bestätigt und CAR-T-Therapien für immer grössere Patientengruppen eingesetzt werden, ist mit höheren Kosten für die Prämien- und Steuerzahlenden zu rechnen.
Und wie gehen die Krankenversicherer mit diesem Spannungsfeld um?
Die Krankenversicherer möchten mit dieser Veröffentlichung einen Beitrag zur Transparenz leisten. Eine sachliche gesellschaftliche Debatte bezüglich der Vergütung von hochpreisigen Therapien soll damit unterstützt werden. Das Thema ist äusserst aktuell, denn die hohen Preisforderungen betreffen nicht nur CAR-T-Zelltherapien, sondern viele neue Therapien, besonders in der Onkologie. Die Gesellschaft muss andere Wege finden, damit neue Therapien mit nachgewiesenem, patientenrelevanten Zusatznutzen verfügbar gemacht werden können. Und das ohne dass es zu einer Überlastung der Prämien- und Steuerzahlenden kommt.