Felix Schwarzenbach, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bei santé24

Psychische Belastungen nehmen in der Schweiz seit Jahren zu. Felix Schwarzenbach kümmert sich in der psychologisch-psychiatrischen Sprechstunde von santé24 um die vielfältigen Anliegen der Versicherten. Der Zürcher hat u.a. die psychosomatische Abteilung der Hochgebirgsklinik Davos Wolfgang aufgebaut.

Wie schwierig ist es, sich trotz räumlicher Distanz in die Hilfesuchenden einzufühlen?

Mit ein wenig Übung hört man auch ohne Video, ob jemand traurig ist, Angst hat oder lächelt. Durch die Konzentration auf das Hören hat man einen klareren Fokus und ist weniger abgelenkt. Im Zweifelsfall kann ich als Therapeut jederzeit nachfragen, wie es meinem Klienten oder meiner Klientin geht. Die telefonische Beratung hat den Vorteil, dass die Klientinnen und Klienten den Ort selbst wählen können, sich dort sicherer fühlen und schneller zum Thema kommen.


Welche Anliegen sind besonders häufig?

Das Spektrum ist gross. Häufig wenden sich Menschen mit Erschöpfung, Schlafproblemen, Ängsten, privaten und beruflichen Konflikten oder Verlust der Lebensfreude an uns.


Was rät man Menschen in dieser Situation?

Als Therapeut gebe ich keine Ratschläge, sondern achte darauf, wo der Fokus meines Klienten oder Klientin gerade liegt, denn dorthin fliesst die Energie. Meine Aufgabe ist es, die Hilfesuchenden bei der Fokussierung auf ihre persönlichen Ziele zu unterstützen. Wie ein Bergführer begleite ich die Menschen auf ihrem Weg, zeige Routen auf und weise auf mögliche Gefahren hin. Gehen müssen sie den Weg aber selbst. Ich versuche, die Menschen einzuladen, sich mit sich selbst, ihren verschiedenen Seiten ‒ auch den sogenannt negativen unerwünschten ‒ und ihrem Körper anzufreunden.


Für welche psychischen Probleme ist Online-Beratung nicht geeignet?

Für Menschen mit schwerwiegenden, oft multifaktoriellen Belastungen wie Psychosen, Halluzinationen o.ä., die auf mehreren Ebenen Unterstützung brauchen, genügt eine Online-Beratung nicht. Sie sind auf die Hilfe eines interdisziplinären Expertenteams angewiesen. Auch Menschen mit ADHS können wir nicht betreuen, da wir die erforderlichen, verschärft rezeptpflichtigen Medikamente nicht verschreiben dürfen. Bei Menschen mit einer Demenz oder wenn sprachliche Barrieren vorliegen, sind uns ebenfalls die Hände gebunden.


Therapeutische Arbeit ist emotional sehr anspruchsvoll. Wie achtest du während der Arbeit auf dich?

Um als Therapeut nicht selbst in ein Burnout zu rutschen, spielen Körper, Psyche, das Team und die Sinnhaftigkeit eine wichtige Rolle. Für die therapeutische Arbeit ist es wichtig, innerlich Freiraum zu behalten und es hilft auch, im Gespräch innerlich immer wieder einen Schritt zurückzutreten und das Ganze mit etwas Abstand zu betrachten. Bei SWICA legen wir im Team grossen Wert auf eine gesunde Fehlerkultur und investieren viel Zeit in Intervisionen, in denen Fälle anhand von Tonbandaufnahmen besprochen werden. Wir schenken uns gegenseitig viel Anerkennung.


Wie findest du im Alltag die Balance?

Um die Balance zwischen den verschiedenen Aufgaben zu finden, ist es für mich wichtig, sowohl beruflich als auch privat Ausgleich und Freude zu erleben. Durch meine Wanderungen und meine Tätigkeit als Stiftungsrat in einer grossen Pensionskasse gelingt es mir, einen wohltuenden Kontrast zur therapeutischen Tätigkeit zu schaffen. In der Arbeit achte ich auf kleine Erfolge und Überraschungen, an denen wir uns beide freuen können. Ob in der Therapie oder im Privatleben: Wichtig ist, dass man das Lachen nie verliert. Dabei hilft mir ein Zitat aus dem Märchen Cinderella, das mich sowohl im Alltag als auch in der Arbeit begleitet: «Und Cinderella fuhr fort, die Welt nicht so zu sehen, wie sie ist, sondern wie sie sein könnte, mit Freundlichkeit und Mut und einem Hauch Magie.»
17.06.2025 / Kundenmagazin 2-2025