Erhöhte Maximalfranchise zur Kostenreduktion?

Durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) soll der Zugang zu den nötigen medizinischen Leistungen für alle gewährleistet werden. Um zu vermeiden, dass Bagatellfälle die OKP belasten, gibt es das System der Franchise: Damit übernehmen Versicherte eine Mitverantwortung für die Kosten. Heute können sie zwischen Franchisen von 300 bis 2500 Franken frei wählen. Könnte eine Erhöhung der freiwilligen Maximalfranchise das Kostenbewusstsein von Versicherten stärken?

Pro

Ich begrüsse eine Erhöhung der Maximalfranchise. Die direkte Kostenbeteiligung durch die Franchise trägt zu mehr Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein bei. Eine Erhöhung der Maximalfranchise würde wohl aber keinen grossen Effekt auf die Gesamtkosten in der obligatorischen Versicherung haben, da der Grossteil der heutigen Personen mit Maximalfranchise diese ohnehin nicht erreichen. Ein wichtiger Effekt hätte die Erhöhung jedenfalls: Versicherte, die keine Kosten zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung generieren, würden das Kostenwachstum auch weniger stark tragen müssen. Es muss verhindert werden, dass die Solidarität im Gesundheitswesen stetig einseitig immer mehr belastet wird. Bei einer Erhöhung der Maximalfranchise wird es wichtig sein, dass Krankenversicherungen parallel die Möglichkeiten bei der Rabattierung von Prämien anpassen: Versicherte, die eine höhere Franchise und damit ein höheres finanzielles Risiko auf sich nehmen, sollen also von tieferen Prämien profitieren können.



Andri Silberschmidt

Andri Silberschmidt
Nationalrat FDP

Contra

Wer profitiert von einer Maximalfranchise von 2500 Franken? Menschen mit einem hohen Einkommen oder Vermögen. Für alle anderen wäre eine Maximalfranchise wie Kamikaze. Zwar mag es auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, die Krankenkassenprämie dadurch deutlich zu reduzieren. Was aber, wenn ein Familienmitglied krank wird? Wenige Menschen können im Krankheitsfall mal eben 3200 Franken (Franchise und Selbstbehalt) pro Jahr bezahlen. Die Gefahr ist gross, dass notwendige Arzt- oder Spitalkonsultationen nicht wahrgenommen werden, da das Geld fehlt. Damit verschlimmern bzw. chronifizieren sich Krankheiten, die Behandlung dauert schlussendlich länger und die Kosten erhöhen sich. Es versteht sich von selbst, dass kranke Menschen mit einer angeborenen Krankheit, mit Krebs, mit Demenz usw. nie eine tiefe Franchise abschliessen können. Die Solidarität wird immer mehr verdrängt. Mit einer Erhöhung der Franchise werden keine Gesundheitskosten gespart. Gesundheitskosten müssen an den Wurzeln angepackt werden: Medikamentenpreise, überhöhte Saläre von Spezialärztinnen und -ärzten, unnötige Operationen und Verschreibungen von Medikamenten, Verwaltungskosten bei den Krankenversicherern.

Manuela Weichelt

Manuela Weichelt
Nationalrätin Grüne

16.05.2023 / aktuell 2-2023