Soll die Arbeitszeit in der Schweiz verkürzt werden?
Pro
«Praxisexperimente wie in Island und auch in einigen Grossbetrieben haben gezeigt, dass eine Reduktion der Arbeitszeit positive Effekte hat: sowohl für den einzelnen Menschen, der dadurch eine bessere Work-Life-Balance und eine verbesserte Gesundheit erfährt, als auch für die Volkswirtschaft insgesamt. Allein die Kosten durch Burnouts belaufen sich in der Schweiz jährlich auf 6 Milliarden Franken. Das Island-Experiment zeigte, dass die Gesamtwirtschaft von der Arbeitszeitverkürzung nicht negativ betroffen war. Die Produktivität der Wirtschaft ging nicht zurück und wurde teilweise sogar besser, während die Steuereinnahmen stabil blieben. Dies widerlegt die Befürchtungen einiger, dass eine Arbeitszeitverkürzung negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben könnte. Eine Reduktion der Arbeitszeit kann die Produktivität steigern, da die Arbeitnehmer weniger gestresst sind und sich besser konzentrieren können. Es ist höchste Zeit, dass auch die Schweiz einen Schritt nach vorne macht und die Vorteile einer Arbeitszeitverkürzung erkennt. Es geht dabei nicht nur um die Gesundheit der Menschen, sondern auch um das Wohl der gesamten Wirtschaft. Eine ausgewogene Work-Life-Balance und gesunde Mitarbeitende sind Grundsteine für eine lebenswerte Gesellschaft.»
Sarah Wyss
Nationalrätin SP
Contra
«Den Wunsch, bei vollem Lohn nur noch vier Tage pro Woche zu arbeiten, hegen wir wohl alle von Zeit zu Zeit. Manche Betriebe experimentieren bereits damit, um im Kampf um Arbeitskräfte zu punkten. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine 32- bis 35-Stundenwoche bei gleichem Lohn aber illusorisch. Das wäre nur finanzierbar, wenn die Produktivität im gleichen Mass ansteigen würde – wenn wir also alle in 80 Prozent der Zeit die gleiche Leistung erbringen wie bis anhin. Das ist in vielen Fällen völlig unrealistisch. Nehmen wir eine Busfahrerin: Sie kann unmöglich die gleichen Strecken viel schneller abfahren. Oder schauen wir uns den Pflegebereich an, wo heute schon händeringend Personal gesucht wird: Wenn niemand länger als vier Tage arbeitet, bleiben die Patientinnen und Patienten unbetreut. Es müssten also zahlreiche neuen Stellen geschaffen werden. Das lässt einerseits die Kosten explodieren und wirft andererseits die Frage auf, mit wem diese Jobs besetzt werden sollen. Die Leute sind nicht vorhanden, und eine noch höhere Zuwanderung ist politisch unerwünscht. Weil gleichzeitig die Pensionierungswelle der Babyboomer den Arbeitskräftemangel laufend verschärft, wäre die allgemeine Einführung der Viertagewoche schlicht unverantwortlich.»
Rudolf Minsch
Chefökonom economiesuisse