Proteine in der zweiten Lebenshälfte – dem Muskelschwund vorbeugen

Proteine liefern wichtige Nährstoffe und sind für den Muskelaufbau sowie den Erhalt der Muskelmasse von grosser Bedeutung. Wer ab 50 seine Ernährung dem Alterungsprozess nicht anpasst, riskiert an Gewicht zuzulegen und Muskeln zu verlieren. Wie lässt sich dies vermeiden?

Wer wünscht sich nicht, lange gesund zu sein und unabhängig leben zu können? Um dies zu erreichen, spielen eine dem Lebensalter und Körper angepasste Ernährung und regelmässige Bewegung eine wichtige Rolle. Dass sich der Körper im Laufe des Lebens verändert, ist kein Geheimnis. So reduziert sich der tägliche Kalorienbedarf ab 50 bis 65 Jahre kontinuierlich um 25 Prozent. Denn alterungsbedingt wird ein Teil der Muskelmasse durch Fett- und Gewebezellen ersetzt, weshalb auch weniger Energie benötigt wird. Der Bedarf an Mikronährstoffen und Proteinen bleibt dagegen gleich oder erhöht sich sogar. Es wird deshalb empfohlen, ab 65 Jahren täglich 1 bis 1,2 Gramm Proteine pro Kilo Körpergewicht in tierischer oder pflanzlicher Form zu sich zu nehmen (Empfehlung für jüngere Erwachsene: 0,8 Gramm pro Kilo Körpergewicht).

Eine Untersuchung der Universitären Altersmedizin Felix Platter hat gezeigt, dass vor allem ältere Menschen aus diversen Gründen wie Appetitlosigkeit, Kau- und Verdauungsproblemen, aber auch aus Unwissenheit zu wenig oder unausgewogen essen. Über die Hälfte der 300 untersuchten älteren Spitalpatientinnen und -patienten wies eine Mangelernährung mit ungenügender Proteinzufuhr auf. Eine Folge davon ist Muskelschwund, an der jede fünfte der mangelernährten Personen litt.

Altersgerecht essen und regelmässige Bewegung

Um vermehrt auf das Problem einer Mangelernährung und den erhöhten Proteinbedarf im Alter aufmerksam zu machen, hat die Felix Platter-Stiftung für Forschung und Innovation zusammen mit Betty Bossi das Magazin «gesund & stark» entwickelt. Die Publikation präsentiert einfache und genussvolle Rezeptideen mit idealem Kalorien-/Proteinverhältnis zum Erhalt von starken Muskeln beim Älterwerden. Daneben gibt es auch viel Wissenswertes zum Thema Proteine, wie beispielsweise Fakten über existierende Ernährungsmythen. Im Alter sollten «leere» Kalorien wie Süssigkeiten, fettreiche Speisen und Alkohol eher die Ausnahme sein, und eine ausgewogene Ernährung mit genügend Proteinen, frischem Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten angestrebt werden. Sich gesund und genussvoll zu ernähren ist das eine, den Körper fit und geschmeidig zu halten, das andere. Wer sich täglich bewegt, erhält oder optimiert nicht nur die eigene Lebensqualität, sondern kann im besten Fall auch lange unabhängig bleiben. Deshalb wird empfohlen, sich pro Woche mindestens zweieinhalb Stunden mit mittlerer, oder eineinviertel Stunden mit hoher Intensität zu bewegen. Im Idealfall werden die körperlichen Aktivitäten auf mehrere Tage in der Woche verteilt.

Jetzt die elektronische Ausgabe des Magazins «gesund & stark» der Felix Platter-Stiftung herunterladen oder das kostenlose Print-Exemplar bestellen.

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«Wer genügend Proteine isst, kann den Muskelschwund verlangsamen»

Reto W. Kressig

Prof. Dr. med. Reto W. Kressig, Ärztlicher Direktor Universitäre Altersmedizin Felix Platter in Basel.

Sie sind seit über zwanzig Jahren in der Altersforschung tätig. Weshalb ist es älteren Menschen zu wenig bewusst, wie wichtig Proteine im Alter für den Erhalt der Muskelgesundheit sind?

Die durchbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema sind relativ neu und haben erst vor wenigen Jahren zu spezifischen Ernährungsempfehlungen für ältere Menschen geführt, die sich klar von denen für jüngere Erwachsene unterscheiden. Die eidgenössische Ernährungskommission hat diese Empfehlungen seit drei Jahren auf ihrer Webseite veröffentlicht – ohne zusätzliche Informationskampagnen. Für Prävention gibt es in der Schweiz, wenn überhaupt, nur sehr beschränkt öffentliche Gelder.

Wie wichtig ist die Forschung in der Altersmedizin und weshalb ist hier ein Aufholbedarf an Information bzw. Aufklärung nötig?

Die Forschung in der Altersmedizin hat sich in den letzten 20 Jahren nicht nur intensiviert, sondern auch Fortschritte gemacht. Einerseits hat das sicher mit der demographischen Veränderung zu tun, andererseits gibt sich die alternde Babyboomer Generation – anders als ihre Vorgeneration – viel gesundheitsbewusster. Die Erkenntnis, dass nur 30 Prozent des Alterungsprozesses genetisch vorbestimmt ist und 70 Prozent durch den gewählten Lebensstil beeinflusst werden kann, gibt ihr Recht. Anders als bei verkaufsträchtigen neuen Medikamenten gibt es hier aber kein finanzkräftiges Marketing. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen auf anderen Wegen an Interessierte und Betroffene gelangen.

Weshalb verringert sich die Muskelmasse im Alter beziehungsweise weshalb ist es wichtig, dass die Proteinzufuhr erhöht wird?

Die Gründe sind verschieden und haben generell mit der Zellalterung zu tun, liegen aber auch im veränderten Bewegungs- und Essverhalten. Dass ein alter Muskel – gleich wie ein junger Muskel – erfolgreich trainierbar ist, wissen wir seit Jahrzehnten. Neueste wissenschaftliche Arbeiten haben nun gezeigt, dass ein älterer Muskel für seinen Erhalt deutlich mehr Proteine benötigt als ein junger Muskel. So kann mit einer erhöhten täglichen Proteinzufuhr der Muskelschwund verlangsamt oder gar gestoppt werden.

Wie können sich Menschen ab 65 Jahren einfach und ohne grosse Ernährungsumstellung mit genügend Proteinen ernähren?

Hier gilt es primär zu lernen, welche Lebensmittel und Speisen viel Protein enthalten. Da ist es für viele schon mal beruhigend zu entdecken, dass Nüsse proteindichter sind als Fleisch und Fisch. Aber auch Bohnen, Linsen, Eier und Milchprodukte sind ebenfalls ausgezeichnete Proteinlieferanten. Von den proteindichten Lebensmitteln wählt man diejenigen aus, die man gerne hat und versucht diese bevorzugt zu essen. Genuss und Freude dürfen nicht fehlen, und man darf auch mal eine Ausnahme machen. Wichtig ist, dass in allen Mahlzeiten – auch beim Zmorge – mindestens 25 Gramm Protein enthalten sind. Damit werden die Muskeln maximal zum Wachsen stimuliert.

Was sind die grössten Fehler, die ältere Menschen in Bezug auf Ernährung und Bewegung machen?

Schlimm wäre wohl nur, gar nicht zu essen und den ganzen Tag im Bett zu verbringen. Wie man im Alter isst und sich bewegt ist eine individuelle Entscheidung. Fehler gibt es in diesem Sinn nicht. Als Arzt und Wissenschaftler ist es mir aber ein Anliegen, dass älterwerdende Menschen von dieser neuen wissenschaftlichen Erkenntnis erfahren. Ob und wie diese umgesetzt wird, soll jeder selbst entscheiden dürfen.

Was sind typische Symptome, wenn der Körper zu wenig Proteine im Alter erhält?

Primär zeigt sich dies in der schwindenden Muskelkraft und der zunehmenden Mühe beim Treppensteigen, Aufstehen oder Gehen. Aber auch wiederkehrende Infekte oder nicht heilende Wunden können darauf hinweisen, denn auch das Immunsystem und die Haut brauchen genügend Proteine.

Kann ein Muskelschwund wegen proteinarmer Ernährung rückgängig gemacht werden? Wenn ja, wie?

Ja, neueste Studien zeigen, dass der Muskel im Alter nicht nur durch Krafttraining, sondern auch durch gezielte Proteinzufuhr wachsen kann. Allerdings braucht es dazu hochkonzentrierte Proteinsupplemente in Form von Trinknahrung. Diese sollte am besten auf Molke basieren, da sie so in 20 Minuten im Muskel ist, und mit der Aminosäure Leucin verstärkt werden. Es scheint, dass vor allem ein hoher Leucinanteil den alten Muskel zum Wachstum stimuliert. Ideal ist eine Kombination von Trinknahrung und gleichzeitigem Training. Viele Studien zeigen auch, dass genügend Vitamin D für die gute Muskelfunktion im Alter wichtig ist.

Ihr Geheimtipp, um auch im Alter gesund und fit zu bleiben?

Das wichtigste scheint mir, Freude am Leben zu haben und diese mit vielen Menschen zu teilen. Neugierig zu bleiben, sich fürs Tagesgeschehen zu interessieren und Freundschaften zu pflegen ist ebenso wichtig wie jeden Tag zu Fuss unterwegs zu sein und regelmässig zu essen.

Welche proteinreichen Lebensmittel empfehlen Sie besonders?

Wie andere empfehle auch ich primär das, was mir schmeckt! Ich esse gerne Eier und Milchprodukte, weil sie proteinmässig nicht nur dicht, sondern auch leichter verdaulich sind. Für den Snack ersetze ich die Schokolade (meist) durch Nüsse und bei Apéros knabbere ich gerne am Parmesankäse, da dieser nebst Protein reich an Leucin ist. Ich bin absoluter Fan von Linsengerichten, dazwischen liebe ich aber auch einen guten Fisch oder ein schönes Stück Fleisch. Die Abwechslung und der Genuss am Essen sollten dabei nicht zu kurz kommen!

Welches ist der grösste Mythos in Bezug auf Proteine?

Hier steht sicherlich die aus den Achtzigerjahren stammende Fehlinformation im Vordergrund, dass Eier den Cholesterinspiegel erhöhen und deshalb nur sparsam gegessen werden sollten. Obwohl dies in zahlreichen Studien widerlegt wurde, hält sich diese – mittlerweile als «Cholesterinlüge» – bezeichnete Falschinformation beharrlich in vielen Köpfen. Tatsache ist, dass Eier mit einem Proteingehalt von bis 8 Gramm ausgezeichnete Proteinlieferanten sind und problemlos jeden Tag mit Genuss gegessen werden dürfen. Der Cholesterinspiegel hängt nicht oder nur marginal von der Ernährung ab, sondern ist primär genetisch bestimmt.

Protein-Kick zum Zmorge: Blaubeer-Müesli

Für 2 Personen, enthält 28g Eiweiss

  • 20g Baumnusskerne
  • EL Zitronenmelisse
  • 400g Hüttenkäse nature
  • 250g Blaubeeren
  • 1 EL flüssiger Honig

Baumnusskerne in einer Bratpfanne ohne Fett rösten. Zitronenmelisse fein schneiden und mit dem Hüttenkäse mischen. In Gläsern anrichten und die Blaubeeren, Nüsse und den Honig darauf verteilen.


Drei Tipps für einen gesunden Alltag

Der Körper mag es, bewegt zu werden und das in jeder Lebensphase. Wöchentlich sollte dies während mindestens zweieinhalb Stunden durch zügiges Gehen, Gartenarbeit, Treppen steigen, Velofahren, Gymnastik, Gleichgewichtsübungen oder Wandern geschehen. Im abwechslungsreichen Angebot von Pro Senectute wird beispielswiese auch Tanzen oder Rhythmik angeboten, die das Gleichgewicht und die Koordination fördern. In Zusammenarbeit mit SWICA wurden zahlreiche Fitness-Workouts erstellt.
Im Winter mangelt es dem Körper an Vitamin D, das entsteht, wenn Sonnenlicht auf die Haut einwirkt. Es ist für Muskeln und Immunsystem wichtig, weshalb über 60-Jährigen empfohlen wird, Vitamin D in Form von Weichkapseln mit Öl oder Öl als Tropfen einzunehmen. Proteine wirken an der Bildung von Muskeln und Knochen mit und kommen in vielen tierischen wie pflanzlichen Lebensmitteln vor:

  • Fleisch, Fisch, Eier
  • Milch, Joghurt, Käse
  • Hülsenfrüchte wie Kichererbsen und Linsen
  • Soja bzw. Tofu oder Sojadrinks
  • Seitan und Quorn
  • Nüsse, Kernen, Samen
  • Getreide wie Weizen, Hafer, Reis oder Müesli

Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung trägt entscheidend zum Wohlbefinden bei und kann die Gesundheit nachhaltig stärken. Mit der Zusatzversicherung COMPLETA PRAEVENTA unterstützt die SWICA die Gesundheitsförderung und Prävention mit Aktivitäten in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Wohlbefinden durch eine jährliche Beteiligung von 50 Prozent bis zu 500 Franken bzw. 300 Franken* pro Vorsorgeart.

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16.05.2023 / aktuell 2-2023