«Ich war es gewohnt, im Job alles zu geben»
Die Kuh war ausgemolken
Später fand er einen Aushilfsjob in einer Buchbinderei, wo er sein Wissen einbringen und sich zum Bereichsleiter hocharbeiten konnte. Bis zu 25 Personen hat Jens zeitweise geführt, von komplexen Kundenprojekten bis zur Kontierung alles gemacht. Sein Bereich war die «Cash Cow» des Betriebs. Die Arbeit nahm zu, die Energie ab. Und als der wichtigste Mitarbeitende kündigte, den er während zwei Jahren eingeführt hatte, da wusste er, dass all die Versprechungen für eine Entlastung der Situation heisse Luft waren. Die Hoffnung war verpufft, die Kuh ausgemolken. Schlaflose Nächte, ein sich immer schneller drehendes Gedankenkarussell und zunehmende Atemprobleme führten zu einem Tag im Winter 2023, als er hyperventilierend am Bahnhof stand. Sein Nachbar brachte ihn zum Hausarzt. Diagnose: Erschöpfungsdepression. «Die Schuld liegt bei mir, aber auch bei meinem Arbeitgeber» – Jens findet klare Worte für seine Situation. Weder sein Chef noch die Personalabteilung seien auf ihn und seine hohe Arbeitsbelastung ernsthaft eingegangen. Die Vorstellung, wieder arbeitslos zu sein, hat ihn daran gehindert, einfach alles hinzuschmeissen. «Ich war es gewohnt, im Job alles zu geben» und so fiel es Jens K., dem Macher, schwer, den Arbeitsrhythmus aus seiner Zeit als Selbständiger früh genug zu drosseln. Sein Arbeitgeber wusste das lange genug zu seinem Vorteil zu nutzen.Krankentaggeldversicherung drohte, die Gelder einzustellen
Ein drohendes Burnout war bereits Jahre zuvor ein Thema und jetzt, wo es Wirklichkeit war, war es tabu. Ihm wurde ein Case Manager seiner Krankentaggeldversicherung zur Seite gestellt und eine Psychotherapie verordnet. Als sein Arbeitsvertrag nach einem halben Jahr ausgelaufen war, wollte die Versicherung die Zahlungen einstellen, obwohl sich die Situation von Jens nicht gebessert hatte. Er musste zu einem Vertrauensarzt, erzählte seine Geschichte, füllte Fragebogen aus und fühlte sich wie ein Betrüger. Von allen Seiten unter Druck gesetzt, sollte er sich nun innerhalb von weniger als zwei Monaten von null auf ein Pensum von 100 Prozent steigern. Ein Tipp seines Schwagers brachte die entscheidende Wendung, als er sich mit dem Care Management von SWICA in Verbindung setzte. «Endlich hatte ich mit Nadja Stahel jemanden, der mir die richtigen Fragen stellte, die Kernprobleme aufzeichnete und die nächsten Schritte plante.» Schon nach dem Erstgespräch war die jahrelange Unruhe vorbei, nun ging es voran. Denn die Situation war nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie zunehmend belastend. Er fühlte sich zwar nicht schuldig, aber von sich selbst enttäuscht, ihnen keine Normalität bieten zu können.
Seine Care Managerin Nadja Stahel positionierte den Fall bei den richtigen Stellen, die Krankentaggeldversicherung strich die Gelder nicht, und durch die psychologisch-psychiatrische Sprechstunde von santé24 befasste sich Jens K. mit seiner psychischen Widerstandsfähigkeit (Resilienz), seinen Zukunftsängsten und körperlichen Entspannungsübungen. Themen, an denen er regelmässig arbeitet und die er auch während der ambulanten Therapie in der Tagesklinik Uster proaktiv einbringen konnte. «Endlich hatte ich gelernt, auch mal zwei Stunden in einer Gruppensitzung zu sein, ohne immer etwas liefern zu müssen». Erst kürzlich fand ein Termin mit ihm, Care Managerin Nadja Stahel und der IV statt. Ein externer Jobcoach soll ihn nun unterstützen und so das Trauma der letzten Arbeitssuche auflösen, als er lediglich ein Vorstellungsgespräch in eineinhalb Jahren bestreiten durfte, trotz der vielseitigen Kompetenzen, die er zu bieten hat. Auch das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum ist nun involviert und Jens zu 20 Prozent arbeitsfähig geschrieben. Der 61-Jährige setzt nach dieser herausfordernden Zeit auf das entscheidende Quäntchen Glück, sei es durch externe Hilfe oder aus eigener Kraft einen Platz zu finden, an dem er sich wieder wertgeschätzt einbringen kann.