«Ich war es gewohnt, im Job alles zu geben»

22 Jahre lang ist Jens K.* selbständig, bis eine Divertikulitis sein Leben verändert. Nach Gelegenheitsjobs findet er wieder eine Beschäftigung, die ihn aber in eine Erschöpfungsdepression treibt. Erst als das SWICA Care Management seinen Fall übernimmt, kommt Bewegung in die verfahrene Situation. Zuversichtlich bereitet er sich heute auf den beruflichen Wiedereinstieg vor.
Mehr als zwei Jahrzehnte war Jens K. in der Unternehmensberatung tätig. Anspruchsvolle, oftmals hektische Projekte, die Entwicklung neuer Ideen und die Verantwortung als Familienvater nahmen nicht nur Geld und Zeit, sondern auch seine Gesundheit in Anspruch. Zu hohe  gesundheitliche Risiken führten nach einer Divertikelentzündung (entzündete Ausstülpungen im Dünn- oder Dickdarm) zum Ende seiner Selbständigkeit. Für den damals 54-Jährigen war die Arbeitssuche  schwierig, und so schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, wie Unkraut jäten in der Nachbarschaft. Ob er sich dafür geschämt hat? Jens K. verneint. Er empfand nur gegenüber Menschen, die er  flüchtig kannte, eine gewisse Scham. «Natürlich wollte ich nicht allen erzählen, dass ich arbeitslos bin.» Ob Scham oder Selbstschutz: «Alle haben irgendein Problem. Für mich war es wichtig, mit  meinem engen Umfeld offen darüber zu sprechen.»

Die Kuh war ausgemolken

Später fand er einen Aushilfsjob in einer Buchbinderei, wo er sein Wissen einbringen und sich zum Bereichsleiter hocharbeiten konnte. Bis zu 25 Personen hat Jens zeitweise geführt, von komplexen Kundenprojekten bis zur Kontierung alles gemacht. Sein Bereich war die «Cash Cow» des Betriebs. Die Arbeit nahm zu, die Energie ab. Und als der wichtigste Mitarbeitende kündigte, den er während zwei Jahren eingeführt hatte, da wusste er, dass all die Versprechungen für eine Entlastung der Situation heisse Luft waren. Die Hoffnung war verpufft, die Kuh ausgemolken. Schlaflose Nächte, ein sich immer schneller drehendes Gedankenkarussell und zunehmende Atemprobleme führten zu einem Tag im Winter 2023, als er hyperventilierend am Bahnhof stand. Sein Nachbar brachte ihn zum Hausarzt. Diagnose: Erschöpfungsdepression. «Die Schuld liegt bei mir, aber auch bei meinem  Arbeitgeber» – Jens findet klare Worte für seine Situation. Weder sein Chef noch die  Personalabteilung seien auf ihn und seine hohe Arbeitsbelastung ernsthaft eingegangen. Die Vorstellung, wieder arbeitslos zu sein, hat ihn daran gehindert, einfach alles hinzuschmeissen. «Ich war es gewohnt, im Job alles zu geben» und so fiel es Jens K., dem Macher, schwer, den  Arbeitsrhythmus aus seiner Zeit als Selbständiger früh genug zu drosseln. Sein Arbeitgeber wusste das lange genug zu seinem Vorteil zu nutzen.

Krankentaggeldversicherung drohte, die Gelder einzustellen

Ein drohendes Burnout war bereits Jahre zuvor ein Thema und jetzt, wo es Wirklichkeit war, war es tabu. Ihm wurde ein Case Manager seiner Krankentaggeldversicherung zur Seite gestellt und eine Psychotherapie verordnet. Als sein Arbeitsvertrag nach einem halben Jahr ausgelaufen war, wollte die Versicherung die Zahlungen einstellen, obwohl sich die Situation von Jens nicht gebessert hatte. Er musste zu einem Vertrauensarzt, erzählte seine Geschichte, füllte Fragebogen aus und fühlte sich wie ein Betrüger. Von allen Seiten unter Druck gesetzt, sollte er sich nun innerhalb von weniger als zwei Monaten von null auf ein Pensum von 100 Prozent steigern. Ein Tipp seines Schwagers brachte die entscheidende Wendung, als er sich mit dem Care Management von SWICA in Verbindung setzte. «Endlich hatte ich mit Nadja Stahel jemanden, der mir die richtigen Fragen stellte, die Kernprobleme aufzeichnete und die nächsten Schritte plante.» Schon nach dem Erstgespräch war die jahrelange Unruhe vorbei, nun ging es voran. Denn die Situation war nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie zunehmend  belastend. Er fühlte sich zwar nicht schuldig, aber von sich selbst enttäuscht, ihnen keine Normalität bieten zu können.

Seine Care Managerin Nadja Stahel positionierte den Fall bei den richtigen Stellen, die Krankentaggeldversicherung strich die Gelder nicht, und durch die psychologisch-psychiatrische Sprechstunde von santé24 befasste sich Jens K. mit seiner psychischen Widerstandsfähigkeit (Resilienz), seinen Zukunftsängsten und körperlichen Entspannungsübungen. Themen, an denen er regelmässig arbeitet und die er auch während der ambulanten Therapie in der Tagesklinik Uster proaktiv einbringen konnte. «Endlich hatte ich gelernt, auch mal zwei Stunden in einer Gruppensitzung zu sein, ohne immer etwas liefern zu müssen». Erst kürzlich fand ein Termin mit ihm, Care Managerin Nadja Stahel und der IV statt. Ein externer Jobcoach soll ihn nun unterstützen und so das Trauma der letzten Arbeitssuche auflösen, als er lediglich ein Vorstellungsgespräch in eineinhalb Jahren bestreiten durfte, trotz der vielseitigen Kompetenzen, die er zu bieten hat. Auch das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum ist nun involviert und Jens zu 20 Prozent arbeitsfähig geschrieben. Der 61-Jährige setzt nach dieser herausfordernden Zeit auf das entscheidende  Quäntchen Glück, sei es durch externe Hilfe oder aus eigener Kraft einen Platz zu finden, an dem er sich wieder wertgeschätzt einbringen kann. 

* Name der Redaktion bekannt

Care Management für Privatpersonen

Das Care Management ist eine kostenlose Dienstleistung für SWICA-Versicherte sowie deren Angehörige. SWICA Care Manager bieten individuelle Hilfestellungen bei der Bewältigung von anspruchsvollen und komplexen medizinischen Situationen oder in schwierigen Lebensphasen. Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier.
14.10.2025 / 3-2025