Soll die Medikamentenabgabe durch Ärztinnen und Ärzte neu diskutiert werden?

In 17 von 19 Deutschschweizer Kantonen können Ärztinnen und Ärzte Medikamente direkt an von ihnen behandelte Patientinnen und Patienten abgeben. In der Westschweiz, dem Tessin, Basel-Stadt und Aargau ist dies nur in Ausnahmefällen gestattet. Bern und Graubünden haben eine Mischform implementiert. Laut einer Interpellation soll die sogenannte Selbstdispensation im Bundesrat nun neu diskutiert werden.

Pro

Ärzte, die ein Medikament verschreiben, profitieren direkt finanziell – sie erhalten pro verkauftes Medikament eine Marge. Bei einigen Ärzten dürfte das dazu führen, dass sie zu teureren Medikamenten greifen. Im schlimmsten Fall werden gar mehr Medikamente als nötig verkauft. Im Baselland zeigt sich aktuell etwa ein starker Anstieg bei den Medikamentenkosten. In Basel-Stadt ist das nicht der Fall, hier dürfen Ärzte die Medikamente nicht direkt verkaufen. Diesem falschen Anreiz muss mit einer gesamtschweizerischen Lösung ein Ende gesetzt werden. In stark ländlichen Gebieten ohne Apotheken soll eine Selbstdispensation selbstverständlich möglich sein.

  

Sibel Arslan
Nationalrätin Grüne

Contra

Die Zukunft ist interprofessionell. Der Mangel an Hausärztinnen in ländlichen Regionen ist bereits evident. Er wird sich über die gesamte Schweiz noch akzentuieren. Am schwerwiegendsten ist er dort, wo auch weit und breit keine Apotheke vorhanden ist. Die Zukunft liegt deshalb im Miteinander, nicht im Entweder-oder. In selbstdispensierenden Kantonen werden weniger Antibiotika verschrieben. Apotheker und Ärzteschaft arbeiten zurzeit gemeinsam daran, dass Beratungsleistung und Logistik bei der Medikamentenabgabe sachgerecht und margenunabhängig entschädigt werden. Im Übrigen gilt das Vieraugenprinzip bei der Abgabe heikler Medikamente sowohl in der ärztlichen Praxis als auch in der Apotheke.

Yvonne Gilli
Präsidentin FMH, Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte